- Die Mägdelein
- Im Mondenschein,
- Die Schnitterinnen tanzen,
- Die Kleider sind
- Im Abendwind
- Geworfen auf die Pflanzen;
- Sie tanzen wie sie Gott erschaffen,
- Es wird sich niemand hier vergaffen;
- Und wenn der Mond sich will verschanzen,
- Mag er ein Wölkchen raffen.
- Allein, wer kommt?
- Nun Eile frommt,
- Zu schlüpfen in die Röckchen.
- Wer ist der Narr?
- Ach Gott, der Pfarr‘!
- Er geht an seinem Stöckchen.
- Der Schreck verwirrt die Tänzerinnen,
- Die jeden Rock verkehrt gewinnen;
- Da sprach das jüngste klügste Döckchen
- Mit unverstörten Sinnen:
- Wie toll ihr seid!
- Wollt ihr im Kleid
- Erscheinen und euch nennen?
- Er kennt euch nicht
- Am Angesicht,
- Im Rock wird er euch kennen.
- Wir tanzen wie uns Gott erschaffen,
- Er ist zu alt sich zu vergaffen,
- Und wenn er fürchtet anzubrennen,
- Mag er hinweg sich raffen.
- Er sieht den Tanz
- Im Mondenglanz,
- Die Wesen ohne Mängel;
- Sie kamen nur
- Von höhrer Flur,
- Doch ohne Lilienstengel.
- Still geht er heim auf seinen Wegen,
- Und danket Gott beim Schlafenlegen,
- Daß er gesehn die Schnitterengel,
- Bedeutend Erntesegen.
- Und als nun gar
- Gedroschen war,
- Die Mägde stehn betroffen;
- Dort war’s so schwül,
- Nun ist’s so kühl;
- Der Buße Tor ist offen:
- Jedwede bringt aus freiem Triebe
- Ein Mäßlein, wohl gefegt im Siebe,
- Dem Pfarrherrn, daß des Segens Hoffen
- Ihm unerfüllt nicht bliebe.
Erscheinung der Schnitterengel
… eine Ballade von Friedrich RückertErscheinung der Schnitterengel von Friedrich Rückert wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/rueckert/erscheinung-der-schnitterengel/
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