- Und nun ade, mein Sohn, nun tue gut
- Und mach deinem Vater kein Herzeleid.
- Und nun ade, mein Leben, mein Blut!
- Gedenk deiner Mutter auch alle Zeit!
- Gedenk deiner Eltern zu Land und See;
- Du bist unsere Freude, du bist unser Weh!
- Herzvater, Herzmutter, mein schönstes Ade!
- Gedenk wohl Eurer zu Land und See,
- Gedenk auch Eurer zu aller Zeit.
- Dein Herz ist willig und glatt dein Gesicht!
- Mein Sohn! mein Sohn, nimm dich in acht,
- Wenn die bösen Buben locken –
- Ich folge nicht! –
- Das hat schon mancher gesagt. –
- In der Nacht, in der Nacht, der singenden Nacht!
- Da flimmert der Saal, da schäumt der Pokal!
- Ich tanze für zwei und trinke für drei!
- Je wilder der Sprung, je heißer der Trunk!
- Was kann ich dafür, ich bin noch jung.
- Juchhei!
- Herum, herunter, herum.
- Die Leben glühn – die Funken sprühn –
- Die Kerzen sich drehn, im Sturme wehn
- Die Stunden vorbei!
- Auf die Nacht, auf die Nacht, lieb Jungfer fein!
- Da wollen wir beide beisammen sein –
- Juchhei!
- So lang wir zu zwei, hält unsere Treu,
- Und wenn wir auseinander gehn,
- So haben wir uns nicht gesehn –
- Vorbei!
- In der Nacht, in der Nacht, der klingenden Nacht,
- Wo’s grinst und stiert, und grimmt und giert
- Und bleich und stumm,
- Als ginge der Tod im Saale um –
- Zum Tisch – zum Tisch – zum grünen Tisch!
- Wo’s locket und rollt,
- Das glitzernde Silber, das glühende Gold!
- »Ich war kaum Vogel, nun bin ich Fisch!«
- Verjubelt die Glut, ist kalt mein Blut.
- Mein Sang ist der Klang,
- Mein Lieb ist das Gold,
- Va banque!
- Juchhei!
- Die Taschen sind voll! Noch mehr, noch mehr!
- Gewagt, gewonnen!
- Es steht!
- La bête!
- Vorbei!
- Gewonnen, zerronnen!
- Die Taschen sind leer! – Und sind sie leer –
- Herzvater, Herzmutter, sie schicken mehr.
- Sie sparen und scharren und kratzen zu Haus,
- Und weinen zu ihrem Vergnügen.
- Ich nehme die Gelder zum Briefe heraus
- Und lasse die Tränen drin, liegen.
- Juchhei!
- Der eine erwirbt, der andre verdirbt,
- Und jeder dran stirbt.
- Vorbei!
- Im Sturme, im Sturme wird’s durchgebracht
- Das Herz, das Leben, die Liebe!
- Wir leben geschwinde, wir Herren der Nacht,
- Wir Schwelger, wir Spieler, wir – Diebe.
- Ich bin gefahren zu Land und See,
- Aus ist mein Spiel und Tanz – Ade!
- Die Eltern sind verdorben,
- An ihrem Sohn verstorben
- Und Kreuz und Gras darüber,
- Und alles ist hinüber!
- Verwüstet mein Leib, verstürmt mein Sinn,
- Nichts drinnen, nichts draußen: wo soll ich hin?
- O wie mich’s gereut! o wie mich’s gereut!
- Ich habe verlungert die ganze Zeit
- Und nichts errungen als Herzeleid,
- Ich hab nicht gelebt – wie soll ich sterben?
- Am Wege, am Wege muß ich verderben.
Der verlorne Sohn
… eine Ballade von Christian Friedrich ScherenbergDer verlorne Sohn von Christian Friedrich Scherenberg wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/scherenberg/der-verlorne-sohn/
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