- Die Musen waren ausspaziert,
- Nachdem sie gnug gesessen;
- Da kam ein Sturm mit Regenflut,
- Sie hatten Schirm und Sonnenhut
- Zum Ungelück vergessen.
- Fürst Pyreneus wohnte hier
- Recht in der Fluren Mitte.
- Er sah die Not der heilgen Neun,
- Und lud sie in sein Schloß herein;
- Genehmigt ward die Bitte.
- Er schützte hübsche Mädchen gern
- Vor Sturm und Ungewitter.
- Er war im Lande weit und breit
- Das Schrecken und das Herzeleid
- Der Männer und der Mütter.
- Der Hof war, seinem König gleich,
- Den Lüsten ganz ergeben.
- Es galt für ihre Schwelgerei
- Frau, Witwe, Jungfer einerlei;
- Welch ein verruchtes Leben!
- Neun artge Mädchen auf einmal!
- Erwünscht war diese Beute.
- Geordnet ward ein prächtger Schmaus,
- Ein jeder griff ein Mädchen aus,
- Und saß an ihrer Seite.
- Nach aufgehobner Tafel ließ
- Das heitre Licht sich sehen;
- Die schönen Kinder neigten sich,
- Und nahmen Abschied dankbarlich,
- Und wollten weiter gehen.
- Allein der Wirt ersuchte sie,
- Die Zeche zu bezahlen.
- In welcher Münze! Himmel, ach!
- Für keusche Mädchen, welche Schmach!
- Wer kann ihr Schrecken malen?
- Man kam zu räubrisch kühner Wut,
- Verriegelte die Türen.
- Dort standen, schön, und weich, und groß,
- Drei Kanapees, fürwahr! nicht bloß
- Das Zimmer auszuzieren.
- Der König wagt’s, Melpomenen
- In seinen Arm zu fassen.
- Sie zog ein gräßliches Gesicht;
- Doch dies bewog den Wütrich nicht,
- Den schönen Raub zu lassen.
- Und ach! Thalia ward das Teil
- Des trunknen Hofpoeten.
- Er greift sie an, voll Rachbegier
- Daß er so oft umsonst von ihr
- Begeisterung gebeten.
- Die Frevler waren schon bereit,
- Die Bosheit zu vollenden;
- Doch plötzlich rief das Musenchor
- Der Gottheit ganze Macht hervor,
- Das Unglück abzuwenden.
- In bunte Vögel seltner Art
- Verkehrten sich die Schönen;
- Ein Fenster, das sie offen sahn,
- Gab ihrem Fluge freie Bahn;
- Fort gingen die Kamönen.
- Die ihr dies Märchen angehört,
- Es kann euch Nutzen bringen.
- Wenn ihr den Musen nicht gefallt,
- Versucht es ja nicht durch Gewalt;
- Sie lassen sich nicht zwingen.
Pyreneus und die Musen
… eine Ballade von Daniel SchieblerPyreneus und die Musen von Daniel Schiebler wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/schiebler/pyreneus-und-die-musen/
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