Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango.
- Fest gemauert in der Erden
- Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
- Heute muß die Glocke werden,
- Frisch, Gesellen! seyd zur Hand.
- Von der Stirne heiß
- Rinnen muß der Schweiß,
- Soll das Werk den Meister loben,
- Doch der Segen kommt von oben.
- Zum Werke, das wir ernst bereiten,
- Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
- Wenn gute Reden sie begleiten,
- Dann fließt die Arbeit munter fort.
- So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
- Was durch die schwache Kraft entspringt,
- Den schlechten Mann muß man verachten,
- Der nie bedacht, was er vollbringt.
- Das ist’s ja, was den Menschen zieret,
- Und dazu ward ihm der Verstand,
- Daß er im innern Herzen spüret,
- Was er erschafft mit seiner Hand.
- Nehmet Holz vom Fichtenstamme,
- Doch recht trocken laßt es seyn,
- Daß die eingepreßte Flamme
- Schlage zu dem Schwalch hinein,
- Kocht des Kupfers Brey,
- Schnell das Zinn herbey,
- Daß die zähe Glockenspeise
- Fließe nach der rechten Weise.
- Was in des Dammes tiefer Grube
- Die Hand mit Feuers Hilfe baut,
- Hoch auf des Thurmes Glockenstube
- Da wird es von uns zeugen laut.
- Noch dauern wird’s in späten Tagen
- Und rühren vieler Menschen Ohr,
- Und wird mit dem Betrübten klagen,
- Und stimmen zu der Andacht Chor.
- Was unten tief dem Erdensohne
- Das wechselnde Verhängniß bringt,
- Das schlägt an die metallne Krone,
- Die es erbaulich weiter klingt.
- Weiße Blasen seh’ ich springen,
- Wohl! die Massen sind im Fluß.
- Laßt’s mit Aschensalz durchdringen,
- Das befördert schnell den Guß.
- Auch von Schaume rein
- Muß die Mischung seyn,
- Daß vom reinlichen Metalle
- Rein und voll die Stimme schalle.
- Denn mit der Freude Feyerklange
- Begrüßt sie das geliebte Kind
- Auf seines Lebens erstem Gange,
- Den es in Schlafes Arm beginnt;
- Ihm ruhen noch im Zeitenschooße
- Die schwarzen und die heitern Loose,
- Der Mutterliebe zarte Sorgen
- Bewachen seinen goldnen Morgen –
- Die Jahre fliehen pfeilgeschwind.
- Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe
- Er stürmt ins Leben wild hinaus,
- Durchmißt die Welt am Wanderstabe,
- Fremd kehrt er heim in’s Vaterhaus,
- Und herrlich, in der Jugend Prangen,
- Wie ein Gebild aus Himmels Höh’n,
- Mit züchtigen, verschämten Wangen
- Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.
- Da faßt ein namenloses Sehnen
- Des Jünglings Herz, er irrt allein,
- Aus seinen Augen brechen Thränen,
- Er flieht der Brüder wilden Reihn.
- Erröthend folgt er Ihren Spuren,
- Und ist von ihrem Gruß beglückt;
- Das Schönste sucht er auf den Fluren,
- Womit er seine Liebe schmückt.
- O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
- Der ersten Liebe goldne Zeit,
- Das Auge sieht den Himmel offen,
- Es schwelgt das Herz in Seligkeit,
- O! daß sie ewig grünen bliebe,
- Die schöne Zeit der jungen Liebe!
- Wie sich schon die Pfeifen bräunen!
- Dieses Stäbchen tauch’ ich ein,
- Sehn wir’s überglast erscheinen
- Wird’s zum Gusse zeitig seyn.
- Jetzt, Gesellen, frisch!
- Prüft mir das Gemisch,
- Ob das Spröde mit dem Weichen
- Sich vereint zum guten Zeichen.
- Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
- Wo Starkes sich und Mildes paarten,
- Da giebt es einen guten Klang.
- Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
- Ob sich das Herz zum Herzen findet!
- Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
- Lieblich in der Bräute Locken
- Spielt der jungfräuliche Kranz,
- Wenn die hellen Kirchenglocken
- Laden zu des Festes Glanz.
- Ach! des Lebens schönste Feyer
- Endigt auch den Lebens-May,
- Mit dem Gürtel, mit dem Schleyer
- Reißt der schöne Wahn entzwey.
- Die Leidenschaft flieht,
- Die Liebe muß bleiben,
- Die Blume verblüht,
- Die Frucht muß treiben.
- Der Mann muß hinaus
- In’s feindliche Leben,
- Muß wirken und streben
- Und pflanzen und schaffen,
- Erlisten, erraffen,
- Muß wetten und wagen
- Das Glück zu erjagen.
- Da strömet herbey die unendliche Gabe,
- Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Haabe,
- Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.
- Und drinnen waltet
- Die züchtige Hausfrau,
- Die Mutter der Kinder,
- Und herrschet weise
- Im häuslichen Kreise,
- Und lehret die Mädchen
- Und wehret den Knaben,
- Und reget ohn’ Ende
- Die fleißigen Hände,
- Und mehrt den Gewinn
- Mit ordnendem Sinn,
- Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden,
- Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden,
- Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
- Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein,
- Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer,
- Und ruhet nimmer.
- Und der Vater mit frohem Blick,
- Von des Hauses weitschauendem Giebel
- Ueberzählet sein blühend Glück,
- Siehet der Pfosten ragende Bäume,
- Und der Scheunen gefüllte Räume
- Und die Speicher, vom Segen gebogen,
- Und des Kornes bewegte Wogen,
- Rühmt sich mit stolzem Mund:
- Fest wie der Erde Grund
- Gegen des Unglücks Macht
- Steht mir des Hauses Pracht!
- Doch mit des Geschickes Mächten
- Ist kein ew’ger Bund zu flechten,
- Und das Unglück schreitet schnell.
- Wohl! Nun kann der Guß beginnen,
- Schön gezacket ist der Bruch.
- Doch, bevor wir’s lassen rinnen,
- Betet einen frommen Spruch!
- Stoßt den Zapfen aus!
- Gott bewahr’ das Haus.
- Rauchend in des Henkels Bogen
- Schießt’s mit feuerbraunen Wogen.
- Wohlthätig ist des Feuers Macht,
- Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
- Und was er bildet, was er schafft,
- Das dankt er dieser Himmelskraft;
- Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
- Wenn sie der Fessel sich entrafft,
- Einhertritt auf der eignen Spur
- Die freye Tochter der Natur.
- Wehe, wenn sie losgelassen
- Wachsend ohne Widerstand
- Durch die volkbelebten Gassen
- Wälzt den ungeheuren Brand!
- Denn die Elemente hassen
- Das Gebild der Menschenhand.
- Aus der Wolke
- Quillt der Segen,
- Strömt der Regen,
- Aus der Wolke, ohne Wahl,
- Zuckt der Strahl!
- Hört ihr’s wimmern hoch vom Thurm!
- Das ist Sturm!
- Roth wie Blut
- Ist der Himmel.
- Das ist nicht des Tages Glut!
- Welch Getümmel
- Straßen auf!
- Dampf wallt auf!
- Flackernd steigt die Feuersäule,
- Durch der Straße lange Zeile
- Wächst es fort mit Windeseile,
- Kochend wie aus Ofens Rachen
- Glühn die Lüfte, Balken krachen,
- Pfosten stürzen, Fenster klirren,
- Kinder jammern, Mütter irren,
- Thiere wimmern
- Unter Trümmern,
- Alles rennet, rettet, flüchtet,
- Taghell ist die Nacht gelichtet,
- Durch der Hände lange Kette
- Um die Wette
- Fliegt der Eimer, hoch im Bogen
- Sprützen Quellen, Wasserwogen.
- Heulend kommt der Sturm geflogen,
- Der die Flamme brausend sucht,
- Prasselnd in die dürre Frucht
- Fällt sie, in des Speichers Räume,
- In der Sparren dürre Bäume,
- Und als wollte sie im Wehen
- Mit sich fort der Erde Wucht
- Reissen, in gewalt’ger Flucht,
- Wächst sie in des Himmels Höhen
- Riesengroß!
- Hoffnungslos
- Weicht der Mensch der Götterstärke,
- Müßig sieht er seine Werke
- Und bewundernd untergehen.
- Leergebrannt
- Ist die Stätte,
- Wilder Stürme rauhes Bette,
- In den öden Fensterhöhlen
- Wohnt das Grauen,
- Und des Himmels Wolken schauen
- Hoch hinein.
- Einen Blick
- Nach dem Grabe
- Seiner Haabe
- Sendet noch der Mensch zurück –
- Greift fröhlich dann zum Wanderstabe.
- Was Feuers Wuth ihm auch geraubt,
- Ein süßer Trost ist ihm geblieben,
- Er zählt die Häupter seiner Lieben
- Und sieh! ihm fehlt kein theures Haupt.
- In die Erd’ ist’s aufgenommen,
- Glücklich ist die Form gefüllt,
- Wird’s auch schön zu Tage kommen,
- Daß es Fleiß und Kunst vergilt?
- Wenn der Guß mißlang?
- Wenn die Form zersprang?
- Ach! vielleicht indem wir hoffen
- Hat uns Unheil schon getroffen.
- Dem dunkeln Schooß der heil’gen Erde
- Vertrauen wir der Hände That,
- Vertraut der Sämann seine Saat
- Und hofft, daß sie entkeimen werde
- Zum Segen, nach des Himmels Rath.
- Noch köstlicheren Saamen bergen
- Wir traurend in der Erde Schooß,
- Und hoffen, daß er aus den Särgen
- Erblühen soll zu schönerm Loos.
- Von dem Dome
- Schwer und bang
- Tönt die Glocke
- Grabgesang.
- Ernst begleiten ihre Trauerschläge
- Einen Wandrer auf dem letzten Wege.
- Ach! die Gattin ist’s, die theure,
- Ach! es ist die treue Mutter,
- Die der schwarze Fürst der Schatten
- Wegführt aus dem Arm des Gatten,
- Aus der zarten Kinder Schaar,
- Die sie blühend ihm gebahr,
- Die sie an der treuen Brust
- Wachsen sah mit Mutterlust –
- Ach! des Hauses zarte Bande
- Sind gelöst auf immerdar,
- Denn sie wohnt im Schattenlande,
- Die des Hauses Mutter war,
- Denn es fehlt ihr treues Walten,
- Ihre Sorge wacht nicht mehr,
- An verwaister Stätte schalten
- Wird die Fremde, liebeleer.
- Bis die Glocke sich verkühlet
- Laßt die strenge Arbeit ruhn,
- Wie im Laub der Vogel spielet
- Mag sich jeder gütlich thun.
- Winkt der Sterne Licht,
- Ledig aller Pflicht
- Hört der Pursch die Vesper schlagen,
- Meister muß sich immer plagen.
- Munter fördert
- Seine Schritte
- Fern im wilden Forst der Wandrer
- Nach der lieben Heimathhütte.
- Blöckend ziehen
- Heim die Schaafe,
- Und der Rinder
- Breitgestirnte
- Glatte Schaaren kommen brüllend,
- Die gewohnten Ställe füllend.
- Schwer herein
- Schwankt der Wagen,
- Kornbeladen,
- Bunt von Farben
- Auf den Garben
- Liegt der Kranz
- Und das junge
- Volk der Schnitter
- Fliegt zum Tanz.
- Markt und Straße
- Werden stiller,
- Um des Lichts gesell’ge Flamme
- Sammeln sich die Hausbewohner,
- Und das Stadtthor
- Schließt sich knarrend.
- Schwarz bedecket
- Sich die Erde,
- Doch den sichern Bürger schrecket
- Nicht die Nacht,
- Die den Bösen gräßlich wecket,
- Denn das Auge des Gesetzes wacht.
- Heil’ge Ordnung, segenreiche
- Himmelstochter, die das Gleiche
- Frey und leicht und freudig bindet,
- Die der Städte Bau gegründet,
- Die herein von den Gefilden
- Rief den ungesell’gen Wilden,
- Eintrat in der Menschen Hütten,
- Sie gewöhnt zu sanften Sitten
- Und das theuerste der Bande
- Wob, den Trieb zum Vaterlande!
- Tausend fleißge Hände regen,
- Helfen sich in munterm Bund
- Und in feurigem Bewegen
- Werden alle Kräfte kund.
- Meister rührt sich und Geselle
- In der Freyheit heil’gem Schutz,
- Jeder freut sich seiner Stelle,
- Bietet dem Verächter Trutz,
- Arbeit ist des Bürgers Zierde,
- Segen ist der Mühe Preis,
- Ehrt den König, seine Würde,
- Ehret uns der Hände Fleiß.
- Holder Friede,
- Süße Eintracht,
- Weilet, weilet
- Freundlich über dieser Stadt!
- Möge nie der Tag erscheinen,
- Wo des rauhen Krieges Horden
- Dieses stille Thal durchtoben,
- Wo der Himmel,
- Den des Abends sanfte Röthe
- Lieblich malt,
- Von der Dörfer, von der Städte
- Wildem Brande schrecklich strahlt!
- Nun zerbrecht mir das Gebäude,
- Seine Absicht hat’s erfüllt,
- Daß sich Herz und Auge weide
- An dem wohlgelungnen Bild.
- Schwingt den Hammer, schwingt,
- Bis der Mantel springt,
- Wenn die Glock’ soll auferstehen
- Muß die Form in Stücken gehen.
- Der Meister kann die Form zerbrechen
- Mit weiser Hand, zur rechten Zeit,
- Doch wehe, wenn in Flammenbächen
- Das glühnde Erz sich selbst befreyt!
- Blind wüthend mit des Donners Krachen
- Zersprengt es das geborstne Haus,
- Und wie aus offnem Höllenrachen
- Speyt es Verderben zündend aus;
- Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
- Da kann sich kein Gebild gestalten,
- Wenn sich die Völker selbst befreyn,
- Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
- Weh, wenn sich in dem Schooß der Städte
- Der Feuerzunder still gehäuft,
- Das Volk, zerreissend seine Kette,
- Zur Eigenhilfe schrecklich greift!
- Da zerret an der Glocke Strängen
- Der Aufruhr, daß sie heulend schallt,
- Und nur geweiht zu Friedensklängen
- Die Losung anstimmt zur Gewalt.
- Freyheit und Gleichheit! hört man schallen,
- Der ruh’ge Bürger greift zur Wehr,
- Die Straßen füllen sich, die Hallen,
- Und Würgerbanden ziehn umher,
- Da werden Weiber zu Hyänen
- Und treiben mit Entsetzen Scherz,
- Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
- Zerreissen sie des Feindes Herz.
- Nichts heiliges ist mehr, es lösen
- Sich alle Bande frommer Scheu,
- Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
- Und alle Laster walten frey.
- Gefährlich ist’s den Leu zu wecken,
- Und grimmig ist des Tigers Zahn,
- Jedoch der schrecklichste der Schrecken
- Das ist der Mensch in seinem Wahn.
- Weh denen, die dem Ewigblinden
- Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
- Sie leuchtet nicht, sie kann nur zünden
- Und äschert Stadt’ und Länder ein.
- Freude hat mir Gott gegeben!
- Sehet! wie ein goldner Stern
- Aus der Hülse, blank und eben,
- Schält sich der metallne Kern.
- Von dem Helm zum Kranz
- Spielt’s wie Sonnenglanz,
- Auch des Wappens nette Schilder
- Loben den erfahrnen Bilder.
- Herein! herein!
- Gesellen alle, schließt den Reihen
- Daß wir die Glocke taufend weihen,
- Concordia soll ihr Name seyn,
- Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine
- Versammle sie die liebende Gemeine.
- Und dies sey fortan ihr Beruf,
- Wozu der Meister sie erschuf:
- Hoch überm niedern Erdenleben
- Soll sie in blauem Himmelszelt
- Die Nachbarin des Donners schweben
- Und gränzen an die Sternenwelt,
- Soll eine Stimme seyn von oben,
- Wie der Gestirne helle Schaar,
- Die ihren Schöpfer wandelnd loben
- Und führen das bekränzte Jahr.
- Nur ewigen und ernsten Dingen
- Sey ihr metallner Mund geweiht,
- Und stündlich mit den schnellen Schwingen
- Berühr’ im Fluge sie die Zeit,
- Dem Schicksal leihe sie die Zunge,
- Selbst herzlos, ohne Mitgefühl,
- Begleite sie mit ihrem Schwunge
- Des Lebens wechselvolles Spiel.
- Und wie der Klang im Ohr vergehet,
- Der mächtig tönend ihr entschallt,
- So lehre sie, daß nichts bestehet,
- Daß alles Irdische verhallt.
- Jetzo mit der Kraft des Stranges
- Wiegt die Glock’ mir aus der Gruft.
- Daß sie in das Reich des Klanges
- Steige, in die Himmelsluft.
- Ziehet, ziehet, hebt!
- Sie bewegt sich, schwebt.
- Freude dieser Stadt bedeute,
- Friede sey ihr erst Geläute.