- Ein frommer Knecht war Fridolin,
- Und in der Furcht des Herrn
- Ergeben der Gebieterin
- Der Gräfin von Saverne.
- Sie war so sanft, sie war so gut,
- Doch auch der Launen Uebermuth
- Hätt er geeifert zu erfüllen,
- Mit Freudigkeit, um Gotteswillen.
- Früh von des Tages erstem Schein
- Bis spät die Vesper schlug,
- Lebt er nur ihrem Dienst allein,
- That nimmer sich genug.
- Und sprach die Dame: mach dirs leicht!
- Da wurd ihm gleich das Auge feucht,
- Und meinte, seiner Pflicht zu fehlen,
- Durft er sich nicht im Dienste quälen,
- Drum vor dem ganzen Dienertroß
- Die Gräfin ihn erhob,
- Aus ihrem schönen Munde floß
- Sein unerschöpftes Lob.
- Sie hielt ihn nicht als ihren Knecht,
- Es gab sein Herz ihm Kindesrecht,
- Ihr klares Auge mit Vergnügen
- Hing an den anmuthsvollen Zügen.
- Darob entbrennt in Roberts Brust,
- Des Jägers, giftger Groll,
- Ihm längst von böser Schadenlust
- Die schwarze Seele schwoll.
- Und trat zum Grafen, rasch zur That,
- Und offen des Verführers Rath,
- Als einst vom Jagen heim sie kamen,
- Streut ihm ins Herz des Argwohns Saamen.
- „Wie seid ihr glücklich, edler Graf,
- Hub er voll Arglist an,
- Euch raubet nicht den goldnen Schlaf
- Des Zweifels giftger Zahn.
- Denn ihr besitzt ein edles Weib,
- Es gürtet Schaam den keuschen Leib,
- Die fromme Treue zu berücken
- Wird nimmer dem Versucher glücken“
- Da rollt der Graf die finstern Brau’n:
- Was redst du mir Gesell?
- Werd ich auf Weibestugend baun,
- Beweglich wie die Well?
- Leicht locket sie des Schmeichlers Mund,
- Mein Glaube steht auf festerm Grund,
- Vom Weib des Grafen von Saverne
- Bleibt, hoff ich, der Versucher ferne.
- Der andre spricht „So denkt ihr recht.
- Nur euren Spott verdient
- Der Thor, der, ein gebohrner Knecht,
- Ein solches sich erkühnt,
- Und zu der Frau, die ihm gebeut
- Erhebt der Wünsche Lüsternheit“ –
- Was? fällt ihm jener ein und bebet,
- Redst du von einem, der da lebet?
- Ja doch, was aller Mund erfüllt,
- Das bärg sich meinem Herrn!
- Doch, weil ihrs denn mit Fleiß verhüllt,
- So unterdrück ichs gern“ –
- Du bist des Todes, Bube, sprich!
- Ruft jener streng und fürchterlich.
- Wer hebt das Aug zu Kunigonden?
- „Nun ja, ich spreche von dem Blonden“
- „Er ist nicht häßlich von Gestalt,
- Fährt er mit Arglist fort,
- Indems den Grafen heiß und kalt
- Durchrieselt bey dem Wort.
- „Ists möglich Herr? Ihr saht es nie,
- Wie er nur Augen hat für sie?
- Bey Tafel eurer selbst nicht achtet,
- An ihren Stuhl gefesselt schmachtet?“
- „Seht da die Verse, die er schrieb,
- Und seine Glut gesteht“
- Gesteht! – „Und sie um Gegenlieb,
- Der freche Bube! fleht.
- Die gnädge Gräfin, sanft und weich,
- Aus Mitleid wohl verbarg sies euch,
- Mich reuet jetzt, daß mirs entfahren,
- Denn Herr, was habt ihr zu befahren?“
- Da ritt in seines Zornes Wut
- Der Graf ins nahe Holz,
- Wo ihm in hoher Oefen Glut
- Die Eisenstufe schmolz.
- Hier nährten früh und spat den Brand
- Die Knechte mit geschäftger Hand,
- Der Funke sprüht, die Bälge blasen,
- Als gält es, Felsen zu verglasen.
- Des Wassers und des Feuers Kraft
- Verbündet sieht man hier,
- Das Mühlrad von der Flut geraft,
- Umwälzt sich für und für.
- Die Werke klappern Nacht und Tag,
- Im Takte pocht der Hämmer Schlag,
- Und bildsam von den mächtgen Streichen
- Muß selbst das Eisen sich erweichen.
- Und zwoen Knechten winket er,
- Bedeutet sie und sagt:
- Den ersten, den ich sende her,
- Und der euch also fragt:
- „Habt ihr befolgt des Herren Wort?“
- Den werft mir in die Hölle dort,
- Daß er zu Asche gleich vergehe,
- Und ihn mein Aug nicht weiter sehe.
- Des freut sich das entmenschte Paar
- Mit roher Henkerslust.
- Denn fühllos wie das Eisen war
- Das Herz in ihrer Brust.
- Und frischer mit der Bälge Hauch
- Erhitzen sie des Ofens Bauch,
- Und schicken sich mit Mordverlangen
- Das Todesopfer zu empfangen.
- Drauf Robert zum Gesellen spricht
- Mit falschem Heuchelschein:
- Frisch auf Gesell und säume nicht,
- Der Herr begehret dein.
- Der Herr, der spricht zu Fridolin:
- Must gleich zum Eisenhammer hin,
- Und frage mir die Knechte dorten,
- Ob sie gethan nach meinen Worten?
- Und jener spricht: es soll geschehn,
- Und macht sich flugs bereit.
- Doch sinnend bleibt er plötzlich stehn:
- „Ob Sie mir nichts gebeut?“
- Und vor die Gräfin stellt er sich:
- Hinaus zum Hammer schickt man mich,
- So sag, was kann ich dir verrichten?
- Denn dir gehören meine Pflichten.
- Darauf die Dame von Saverne
- Versetzt mit sanftem Ton:
- Die heilge Messe hört ich gern,
- Doch liegt mir krank der Sohn.
- So gehe denn mein Kind und sprich
- In Andacht ein Gebet für mich,
- Und denkst du reuig deiner Sünden,
- So laß auch mich die Gnade finden.
- Und froh der vielwillkommnen Pflicht
- Macht er im Flug sich auf,
- Hat noch des Dorfes Ende nicht
- Erreicht in schnellem Lauf,
- Da tönt ihm von dem Glockenstrang
- Hellschlagend des Geläutes Klang,
- Das alle Sünder, hochbegnadet,
- Zum Sakramente festlich ladet.
- „Dem lieben Gotte weich nicht aus,
- Findst du ihn auf dem Weg! – “
- Er sprichts und tritt ins Gotteshaus,
- Kein Laut ist hier noch reg’.
- Denn um die Aerndte wars, und heiß
- Im Felde glüht’ der Schnitter Fleiß,
- Kein Chorgehilfe war erschienen,
- Die Messe kundig zu bedienen.
- Entschlossen ist er alsobald,
- Und macht den Sacristan.
- Das, spricht er, ist kein Aufenthalt,
- Was fördert himmelan.
- Die Stola und das Cingulum
- Hängt er dem Priester dienend um,
- Bereitet hurtig die Gefäße,
- Geheiliget zum Dienst der Messe.
- Und als er dieß mit Fleiß gethan,
- Tritt er als Ministrant
- Dem Priester zum Altar voran,
- Das Meßbuch in der Hand,
- Und knieet rechts und knieet links,
- Und ist gewärtig jedes Winks,
- Und als des Sanctus Worte kamen
- Da schellt er dreimal bei dem Nahmen.
- Drauf als der Priester fromm sich neigt
- Und, zum Altar gewandt,
- Den Gott, den gegenwärtgen, zeigt,
- In hocherhabner Hand,
- Da kündet es der Sacristan
- Mit hellem Glöcklein klingend an,
- Und alles kniet und schlägt die Brüste,
- Sich fromm bekreuzend vor dem Christe.
- So übt er jedes pünktlich aus,
- Mit schnell gewandtem Sinn,
- Was Brauch ist in dem Gotteshaus,
- Er hat es alles inn,
- Und wird nicht müde bis zum Schluß,
- Bis beim Vobiscum Dominus
- Der Priester zur Gemein’ sich wendet,
- Die heilge Handlung segnend endet.
- Da stellt er jedes wiederum
- In Ordnung säuberlich,
- Erst reinigt er das Heiligthum,
- Und dann entfernt er sich,
- Und eilt in des Gewissens Ruh
- Den Eisenhütten heiter zu,
- Spricht unterwegs, die Zahl zu füllen,
- Zwölf Paternoster noch im Stillen.
- Und als er rauchen sieht den Schlot,
- Und sieht die Knechte stehn,
- Da ruft er: Was der Graf gebot,
- Ihr Knechte, ists geschehn?
- Und grinzend zerren sie den Mund,
- Und deuten in des Ofens Schlund:
- „Der ist besorgt und aufgehoben,
- Der Graf wird seine Diener loben“
- Die Antwort bringt er seinem Herrn
- In schnellem Lauf zurück.
- Als der ihn kommen sieht von fern,
- Kaum traut er seinem Blick.
- Unglücklicher! wo kommst du her?
- „Vom Eisenhammer“ – Nimmermehr!
- So hast du dich im Lauf verspätet?
- „Herr, nur so lang, bis ich gebetet“
- „Denn als von eurem Angesicht
- Ich heute ging, verzeiht,
- Da fragt ich erst, nach meiner Pflicht,
- Bei der, die mir gebeut.
- Die Messe, Herr, befahl sie mir
- Zu hören, gern gehorcht’ ich ihr,
- Und sprach der Rosenkränze viere
- Für euer Heil und für das ihre.
- In tiefes Staunen sinket hier
- Der Graf, entsetzet sich.
- Und welche Antwort wurde dir
- Am Eisenhammer? Sprich!
- „Herr, dunkel war der Rede Sinn,
- Zum Ofen wies man lachend hin:
- Der ist besorgt und aufgehoben,
- Der Graf wird seine Diener loben“
- Und Robert? fällt der Graf ihm ein,
- Wird glühend und wird blaß.
- Sollt er dir nicht begegnet seyn,
- Ich sandt ihn doch die Straß’!
- „Herr, nicht im Wald, nicht in der Flur
- Fand ich von Robert eine Spur – “
- Nun, ruft der Graf und steht vernichtet,
- Gott selbst im Himmel hat gerichtet!
- Und gütig, wie er nie gepflegt,
- Nimmt er des Dieners Hand,
- Bringt ihn der Gattin, tiefbewegt,
- Die nichts davon verstand.
- Dieß Kind, kein Engel ist so rein,
- Laßts eurer Huld empfohlen seyn,
- Wie schlimm wir auch berathen waren,
- Mit dem ist Gott und seine Schaaren.
Der Gang nach dem Eisenhammer
… eine Ballade von Friedrich SchillerDer Gang nach dem Eisenhammer von Friedrich Schiller wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/schiller/der-gang-nach-dem-eisenhammer/
Quelle: https://balladen.net/schiller/der-gang-nach-dem-eisenhammer/