- Was rennt das Volk, was wälzt sich dort
- Die langen Gassen brausend fort?
- Stürzt Rhodus unter Feuers Flammen?
- Es rottet sich im Sturm zusammen,
- Und einen Ritter, hoch zu Roß,
- Gewahr’ ich aus dem Menschentroß,
- Und hinter ihm, welch Abentheuer!
- Bringt man geschleppt ein Ungeheuer,
- Ein Drache scheint es von Gestalt,
- Mit weitem Krokodilesrachen,
- Und alles blickt verwundert bald
- Den Ritter an und bald den Drachen.
- Und tausend Stimmen werden laut,
- Das ist der Lindwurm, kommt und schaut!
- Der Hirt und Heerden uns verschlungen,
- Das ist der Held, der ihn bezwungen!
- Viel andre zogen vor ihm aus,
- Zu wagen den gewaltgen Strauß,
- Doch keinen sah man wiederkehren,
- Den kühnen Ritter soll man ehren!
- Und zum Pallaste geht der Zug,
- Wo Sankt Johanns des Täufers Orden,
- Die Ritter des Spitals im Flug
- Zu Rathe sind versammelt worden.
- Und vor den edeln Meister tritt
- Der Großkreuz mit bescheidnem Schritt,
- Nachdrängt das Volk, mit wildem Rufen.
- Erfüllend des Geländes Stuffen,
- Und jener nimmt das Wort und spricht:
- Ich hab’ erfüllt die Ritterpflicht,
- Der Drache der das Land verödet,
- Er liegt von meiner Hand getödtet,
- Frei ist dem Wanderer der Weg,
- Der Hirte treibe ins Gefilde,
- Froh walle auf dem Felsensteg
- Der Pilgrim zu dem Gnadenbilde.
- Doch strenge blickt der Fürst ihn an
- Und spricht: Du hast als Held gethan,
- Der Muth ists, der den Ritter ehret,
- Du hast den kühnen Geist bewähret.
- Doch sprich! Was ist die erste Pflicht
- Des Ritters, der für Christum ficht,
- Sich schmücket mit des Kreutzes Zeichen?
- Und alle rings herum erbleichen.
- Doch er, mit edelm Anstand, spricht,
- Indem er sich erröthend neiget.
- Gehorsam ist die erste Pflicht,
- Die ihn des Schmuckes würdig zeiget.
- Und diese Pflicht, mein Sohn, versetzt
- Der Meister, hast du frech verletzt,
- Den Kampf, den das Gesetz versaget,
- Hast du mit frevlem Mut gewaget! –
- Herr, richte wenn du alles weißt,
- Spricht jener mit gesetztem Geist,
- Denn des Gesetzes Sinn und Willen
- Vermeint ich treulich zu erfüllen,
- Nicht unbedachtsam zog ich hin,
- Das Ungeheuer zu bekriegen,
- Durch List und kluggewandten Sinn
- Versucht ich’s, in dem Kampf zu siegen.
- Fünf unsers Ordens waren schon,
- Die Zierden der Religion,
- Des kühnen Muthes Opfer worden,
- Da wehrtest du den Kampf dem Orden.
- Doch an dem Herzen nagte mir
- Der Unmuth und die Streitbegier,
- Ja selbst im Traum der stillen Nächte
- Fand ich mich keuchend im Gefechte,
- Und wenn der Morgen dämmernd kam,
- Und Kunde gab von neuen Plagen,
- Da faßte mich ein wilder Gram,
- Und ich beschloß, es frisch zu wagen.
- Und zu mir selber sprach ich dann:
- Was schmückt den Jüngling, ehrt den Mann,
- Was leisteten die tapfern Helden
- Von denen uns die Lieder melden?
- Die zu der Götter Glanz und Ruhm
- Erhub das blinde Heidenthum?
- Sie reinigten von Ungeheuern
- Die Welt in kühnen Abentheuern,
- Begegneten im Kampf dem Leu’n
- Und rangen mit dem Minotauren,
- Die armen Opfer zu befrein,
- Und ließen sich das Blut nicht dauren.
- Ist nur der Saracen es werth,
- Daß ihn bekämpft des Christen Schwerdt?
- Bekriegt er nur die falschen Götter?
- Gesandt ist er der Welt zum Retter,
- Von jeder Noth und jedem Harm
- Befreien muß sein starker Arm,
- Doch seinen Muth muß Weißheit leiten
- Und List muß mit der Stärke streiten.
- So sprach ich oft und zog allein,
- Des Raubthiers Fährte zu erkunden,
- Da flößte mir der Geist es ein,
- Froh rief ich aus, ich hab’s gefunden.
- Und trat zu dir und sprach dieß Wort:
- „Mich zieht es nach der Heimat fort.“
- Du Herr willfahrtest meinen Bitten
- Und glücklich war das Meer durchschnitten.
- Kaum stieg ich aus am heimschen Strand,
- Gleich ließ ich durch des Künstlers Hand
- Getreu den wohlbemerkten Zügen
- Ein Drachenbild zusammenfügen.
- Auf kurzen Füßen wird die Last
- Des langen Leibes aufgethürmet,
- Ein schuppicht Panzerhemd umfaßt
- Den Rücken, den es furchtbar schirmet.
- Lang strecket sich der Hals hervor,
- Und gräßlich wie ein Höllenthor
- Als schnappt es gierig nach der Beute,
- Eröfnet sich des Rachens Weite,
- Und aus dem schwarzen Schlunde dräun
- Der Zähne stachelichte Reihn,
- Die Zunge gleicht des Schwerdtes Spitze
- Die kleinen Augen sprühen Blitze,
- In einer Schlange endigt sich
- Des Rückens ungeheure Länge,
- Rollt um sich selber fürchterlich,
- Daß es um Mann und Roß sich schlänge.
- Und alles bild ich nach, genau,
- Und kleid es in ein scheußlich Grau,
- Halb Wurm erschiens, halb Molch und Drache,
- Gezeuget in der giftgen Lache;
- Und als das Bild vollendet war,
- Erwähl’ ich mir ein Dockenpaar,
- Gewaltig, schnell, von flinken Läufen,
- Gewohnt den wilden Uhr zu greifen,
- Die hetz ich auf den Lindwurm an,
- Erhitze sie zu wildem Grimme,
- Zu fassen ihn mit scharfem Zahn,
- Und lenke sie mit meiner Stimme.
- Und wo des Bauches weiches Vließ
- Den scharfen Bissen Blöße ließ,
- Da reiz ich sie den Wurm zu packen,
- Die spitzen Zähne einzuhacken.
- Ich selbst, bewaffnet mit Geschoß
- Besteige mein arabisch Roß,
- Von adelicher Zucht entstammet,
- Und als ich seinen Zorn entflammet,
- Rasch auf den Drachen spreng ich’s los,
- Und stachl’ es mit den scharfen Sporen,
- Und werfe zielend mein Geschoß,
- Als wollt’ ich die Gestalt durchbohren.
- Ob auch das Roß sich grauend bäumt
- Und knirrscht und in den Zügel schäumt,
- Und meine Docken ängstlich stöhnen,
- Nicht rast ich, bis sie sich gewöhnen.
- So üb ichs aus mit Emsigkeit,
- Bis dreimal sich der Mond erneut,
- Und als sie jedes recht begriffen,
- Führ ich sie her auf schnellen Schiffen.
- Der dritte Morgen ist es nun,
- Daß mirs gelungen hier zu landen,
- Den Gliedern gönnt ich kaum zu ruhn,
- Bis ich das große Werk bestanden.
- Denn heiß erregte mir das Herz
- Des Landes frisch erneuter Schmerz,
- Zerrissen fand man jüngst die Hirten,
- Die nach dem Sumpfe sich verirrten,
- Und ich beschließe rasch die That,
- Nur von dem Herzen nehm ich Rath.
- Flugs unterricht ich meine Knappen,
- Besteige den versuchten Rappen,
- Und von dem edeln Dockenpaar
- Begleitet, auf geheimen Wegen,
- Wo meiner That kein Zeuge war,
- Reit ich dem Feinde frisch entgegen.
- Das Kirchlein kennst du Herr, das hoch
- Auf eines Felsenberges Joch
- Der weit die Insel überschauet,
- Des Meisters kühner Geist erbauet.
- Verächtlich scheint es, arm und klein,
- Doch ein Mirakel schließt es ein,
- Die Mutter mit dem Jesusknaben,
- Den die drey Könige begaben.
- Auf dreimal dreißig Stufen steigt
- Der Pilgrim nach der steilen Höhe,
- Doch hat er schwindelnd sie erreicht,
- Erquickt ihn seines Heilands Nähe.
- Tief in den Fels, auf dem es hängt,
- Ist eine Grotte eingesprengt,
- Vom Thau des nahen Moors befeuchtet,
- Wohin des Himmels Strahl nicht leuchtet,
- Hier hausete der Wurm und lag
- Den Raub erspähend Nacht und Tag,
- So hielt er wie der Höllendrache
- Am Fuß des Gotteshauses Wache,
- Und kam der Pilgrim hergewallt,
- Und lenkte in die Unglücksstraße,
- Hervorbrach aus dem Hinterhalt
- Der Feind und trug ihn fort zum Fraße.
- Den Felsen stieg ich jezt hinan,
- Eh ich den schweren Strauß begann,
- Hin kniet’ ich vor dem Christuskinde,
- Und reinigte mein Herz von Sünde,
- Drauf gürt’ ich mir im Heiligthum
- Den blanken Schmuck der Waffen um,
- Bewehre mit dem Spieß die Rechte,
- Und nieder steig ich zum Gefechte.
- Zurücke bleibt der Knappen Troß,
- Ich gebe scheidend die Befehle,
- Und schwinge mich behend aufs Roß,
- Und Gott empfehl ich meine Seele.
- Kaum seh ich mich im ebnen Plan,
- Flugs schlagen meine Docken an,
- Und bang beginnt das Roß zu keuchen,
- Und bäumet sich und will nicht weichen,
- Denn nahe liegt, zum Knäul geballt,
- Des Feindes scheußliche Gestalt,
- Und sonnet sich auf warmem Grunde,
- Auf jagen ihn die flinken Hunde,
- Doch wenden sie sich pfeilgeschwind
- Als es den Rachen gähnend theilet,
- Und von sich haucht den giftgen Wind,
- Und winselnd wie der Schakal heulet.
- Doch schnell erfrisch ich ihren Muth,
- Sie fassen ihren Feind mit Wuth,
- Indem ich nach des Thieres Lende
- Aus starker Faust den Speer versende,
- Doch machtlos wie ein dünner Stab
- Prallt er vom Schuppenpanzer ab,
- Und eh ich meinen Wurf erneuet,
- Da bäumet sich mein Roß und scheuet
- An seinem Basiliskenblick
- Und seines Athems giftgem Wehen,
- Und mit Entsetzen springts zurück,
- Und jetzo wars um mich geschehen –
- Da schwing ich mich behend vom Roß,
- Schnell ist des Schwerdtes Schneide bloß,
- Doch alle Streiche sind verloren,
- Den Felsenharnisch zu durchbohren,
- Und wüthend mit des Schweifes Kraft
- Hat es zur Erde mich gerafft,
- Schon seh ich seinen Rachen gähnen,
- Es haut nach mir mit grimmen Zähnen,
- Als meine Hunde wuthentbrannt
- An seinen Bauch mit grimmgen Bissen
- Sich warfen, daß es heulend stand,
- Von ungeheurem Schmerz zerrissen.
- Und eh es ihren Bissen sich
- Entwindet, rasch erheb ich mich,
- Erspähe mir des Feindes Blöße,
- Und stoße tief ihm ins Gekröse
- Nachbohrend bis ans Heft den Stahl,
- Schwarzquellend springt des Blutes Strahl,
- Hin sinkt es und begräbt im Falle
- Mich mit des Leibes Riesenballe,
- Daß schnell die Sinne mir vergehn,
- Und als ich neugestärkt erwache,
- Seh ich die Knappen um mich stehn,
- Und todt im Blute liegt der Drache.“ –
- Des Beifalls lang gehemmte Lust
- Befreit jetzt aller Hörer Brust,
- So wie der Ritter dieß gesprochen,
- Und zehnfach am Gewölb gebrochen
- Wälzt der vermischten Stimmen Schall
- Sich brausend fort im Wiederhall,
- Laut fodern selbst des Ordens Söhne,
- Daß man die Heldenstirne kröne,
- Und dankbar im Triumphgepräng
- Will ihn das Volk dem Volke zeigen,
- Da faltet seine Stirne streng
- Der Meister und gebietet Schweigen.
- Und spricht: Den Drachen, der dieß Land
- Verheert, schlugst du mit tapfrer Hand,
- Ein Gott bist du dem Volke worden,
- Ein Feind kommst du zurück dem Orden,
- Und einen schlimmern Wurm gebahr
- Dein Herz, als dieser Drache war.
- Die Schlange, die das Herz vergiftet,
- Die Zwietracht und Verderben stiftet,
- Das ist der widerspenstge Geist
- Der gegen Zucht sich frech empöret,
- Der Ordnung heilig Band zerreißt,
- Denn der ists, der die Welt zerstöret.
- Muth zeiget auch der Mameluk,
- Gehorsam ist des Christen Schmuck;
- Denn wo der Herr in seiner Größe
- Gewandelt hat in Knechtes Blöße,
- Da stifteten, auf heilgem Grund,
- Die Väter dieses Ordens Bund,
- Der Pflichten schwerste zu erfüllen,
- Zu bändigen den eignen Willen!
- Dich hat der eitle Ruhm bewegt,
- Drum wende dich aus meinen Blicken,
- Denn wer des Herren Joch nicht trägt,
- Darf sich mit seinem Kreuz nicht schmücken.
- Da bricht die Menge tobend aus,
- Gewaltger Sturm bewegt das Haus,
- Um Gnade flehen alle Brüder,
- Doch schweigend blickt der Jüngling nieder,
- Still legt er von sich das Gewand
- Und küßt des Meisters strenge Hand
- Und geht. Der folgt ihm mit dem Blicke,
- Dann ruft er liebend ihn zurücke
- Und spricht: Umarme mich mein Sohn!
- Dir ist der härtre Kampf gelungen.
- Nimm dieses Kreuz, es ist der Lohn
- Der Demuth, die sich selbst bezwungen.
Der Kampf mit dem Drachen
… eine Ballade von Friedrich SchillerDer Kampf mit dem Drachen von Friedrich Schiller wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/schiller/der-kampf-mit-dem-drachen/
Quelle: https://balladen.net/schiller/der-kampf-mit-dem-drachen/