- Auf einen Pferdemarkt – vielleicht zu Haymarket,
- Wo andre Dinge noch in Waare sich verwandeln,
- Bracht’ einst ein hungriger Poet
- Der Musen Roß, es zu verhandeln.
- Hell wieherte der Hippogryph,
- Und bäumte sich in prächtiger Parade;
- Erstaunt blieb Jeder stehn und rief:
- Das edle, königliche Thier! Nur Schade
- Daß seinen schlanken Wuchs ein häßlich Flügelpaar
- Entstellt! Den schönsten Postzug würd’ es zieren.
- Die Race, sagen sie, sey rar,
- Doch wer wird durch die Luft kutschieren?
- Und keiner will sein Geld verlieren.
- Ein Pachter faßte endlich Muth.
- Die Flügel zwar, spricht er, die schaffen keinen Nutzen;
- Doch die kann man ja binden oder stutzen,
- Dann ist das Pferd zum Ziehen immer gut.
- Ein zwanzig Pfund, die will ich wohl dran wagen;
- Der Täuscher, hoch vergnügt die Waare loszuschlagen,
- Schlägt hurtig ein. „Ein Mann, ein Wort!“
- Und Hans trabt frisch mit seiner Beute fort.
- Das edle Thier wird eingespannt;
- Doch fühlt’ es kaum die ungewohnte Bürde,
- So rennt es fort mit wilder Flugbegierde
- Und wirft, von edelm Grimm entbrannt,
- Den Karren um an eines Abgrunds Rand.
- Schon gut, denkt Hans. Allein darf ich dem tollen Thiere
- Kein Fuhrwerk mehr vertraun. Erfahrung macht schon klug.
- Doch morgen fahr’ ich Passagiere,
- Da stell’ ich es als Vorspann in den Zug.
- Die muntre Krabbe soll zwei Pferde mir ersparen;
- Der Koller gibt sich mit den Jahren.
- Der Anfang ging ganz gut. Das leichtbeschwingte Pferd
- Belebt der Klepper Schritt, und pfeilschnell fliegt der Wagen,
- Doch was geschieht? Den Blick den Wolken zugekehrt,
- Und ungewohnt, den Grund mit festem Huf zu schlagen,
- Verläßt es bald der Räder sichre Spur,
- Und, treu der stärkeren Natur,
- Durchrennt es Sumpf und Moor, geackert Feld und Hecken;
- Der gleiche Taumel faßt das ganze Postgespann,
- Kein Rufen hilft, kein Zügel hält es an,
- Bis endlich, zu der Wandrer Schrecken,
- Der Wagen, wohlgerüttelt und zerschellt,
- Auf eines Berges steilem Gipfel hält.
- Das geht nicht zu mit rechten Dingen!
- Spricht Hans mit sehr bedenklichem Gesicht.
- So wird es nimmermehr gelingen;
- Laß sehn, ob wir den Tollwurm nicht
- Durch magre Kost und Arbeit zwingen.
- Die Probe wird gemacht. Bald ist das schöne Thier,
- Eh noch drei Tage hingeschwunden,
- Zum Schatten abgezehrt. Ich hab’s, ich hab’s gefunden!
- Ruft Hans. Jetzt frisch, und spannt es mir
- Gleich vor den Pflug mit meinem stärksten Stier!
- Gesagt, gethan. In lächerlichem Zuge
- Erblickt man Ochs und Flügelpferd am Pfluge.
- Unwillig steigt der Greif und strengt die letzte Macht
- Der Sehnen an, den alten Flug zu nehmen.
- Umsonst, der Nachbar schreitet mit Bedacht,
- Und Phöbus stolzes Roß muß sich dem Stier bequemen,
- Bis nun, vom langen Widerstand verzehrt,
- Die Kraft aus allen Gliedern schwindet,
- Von Gram gebeugt das edle Götterpferd
- Zu Boden stürzt, und sich im Staube windet.
- Verwünschtes Thier! bricht endlich Hansens Grimm
- Laut scheltend aus, indem die Hiebe flogen.
- So bist du denn zum Ackern selbst zu schlimm,
- Mich hat ein Schelm mit dir betrogen.
- Indem er noch in seines Zornes Wuth
- Die Peitsche schwingt, kommt flink und wohlgemuth
- Ein lustiger Gesell die Straße hergezogen.
- Die Cither klingt in seiner leichten Hand,
- Und durch den blonden Schmuck der Haare
- Schlingt zierlich sich ein goldnes Band.
- Wohin, Freund, mit dem wunderlichen Paare?
- Ruft er den Baur von weitem an.
- Der Vogel und der Ochs an einem Seile,
- Ich bitte dich, welch ein Gespann!
- Willst du auf eine kleine Weile
- Dein Pferd zur Probe mir vertraun?
- Gib acht, du sollst dein Wunder schaun.
- Der Hippogryph wird ausgespannt,
- Und lächelnd schwingt sich ihm der Jüngling auf den Rücken.
- Kaum fühlt das Thier des Meisters sichre Hand,
- So knirscht es in des Zügels Band,
- Und steigt, und Blitze sprühn aus den beseelten Blicken.
- Nicht mehr das vor’ge Wesen, königlich,
- Ein Geist, ein Gott, erhebt es sich,
- Entrollt mit einem Mal in Sturmes Wehen
- Der Schwingen Pracht, schießt brausend himmelan,
- Und eh der Blick ihm folgen kann,
- Entschwebt es zu den blauen Höhen.
Pegasus im Joche
… eine Ballade von Friedrich SchillerPegasus im Joche von Friedrich Schiller wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/schiller/pegasus-im-joche/
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