- „Ritter, treue Schwesterliebe
- Widmet euch dieß Herz,
- Fodert keine andre Liebe,
- Denn es macht mir Schmerz.
- Ruhig mag ich euch erscheinen,
- Ruhig gehen sehn.
- Eurer Augen stilles Weinen
- Kann ich nicht verstehn.“
- Und er hörts mit stummem Harme,
- Reißt sich blutend los,
- Preßt sie heftig in die Arme,
- Schwingt sich auf sein Roß,
- Schickt zu seinen Mannen allen
- In dem Lande Schweitz,
- Nach dem heilgen Grab sie wallen,
- Auf der Brust das Kreutz.
- Große Thaten dort geschehen
- Durch der Helden Arm,
- Ihres Helmes Büsche wehen
- In der Feinde Schwarm,
- Und des Toggenburgers Nahme
- Schreckt den Muselmann,
- Doch das Herz von seinem Grame
- Nicht genesen kann.
- Und ein Jahr hat ers getragen,
- Trägts nicht länger mehr,
- Ruhe kann er nicht erjagen,
- Und verläßt das Heer,
- Sieht ein Schiff an Joppe’s Strande
- Das die Segel bläht,
- Schiffet heim zum theuren Lande,
- Wo ihr Athem weht.
- Und an ihres Schlosses Pforte
- Klopft der Pilger an,
- Ach! und mit dem Donnerworte
- Wird sie aufgethan:
- „Die ihr suchet, trägt den Schleier,
- Ist des Himmels Braut,
- Gestern war des Tages Feyer
- Der sie Gott getraut.“
- Da verlässet er auf immer
- Seiner Väter Schloß,
- Seine Waffen sieht er nimmer,
- Noch sein treues Roß,
- Von der Toggenburg hernieder
- Steigt er unbekannt,
- Denn es deckt die edeln Glieder
- Härenes Gewand.
- Und erbaut sich eine Hütte
- Jener Gegend nah
- Wo das Kloster aus der Mitte
- Düstrer Linden sah;
- Harrend von des Morgens Lichte
- Bis zu Abends Schein,
- Stille Hofnung im Gesichte,
- Saß er da allein.
- Blickte nach dem Kloster drüben
- Blickte Stundenlang,
- Nach dem Fenster seiner Lieben,
- Bis das Fenster klang,
- Bis die Liebliche sich zeigte,
- Bis das theure Bild
- Sich ins Thal herunterneigte,
- Ruhig, engelmild.
- Und dann legt er froh sich nieder,
- Schlief getröstet ein,
- Still sich freuend, wenn es wieder
- Morgen würde seyn.
- Und so saß er viele Tage
- Saß viel Jahre lang,
- Harrend ohne Schmerz und Klage
- Bis das Fenster klang,
- Bis die Liebliche sich zeigte,
- Bis das theure Bild
- Sich ins Thal herunter neigte,
- Ruhig, engelmild.
- Und so saß er, eine Leiche,
- Eines Morgens da,
- Nach dem Fenster noch das bleiche
- Stille Antlitz sah.
Ritter Toggenburg
… eine Ballade von Friedrich SchillerRitter Toggenburg von Friedrich Schiller wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/schiller/ritter-toggenburg/
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