- Zu Würzburg steht ein grauer Turm
- weit ab vom lust’gen Maine,
- in seinen Balken pickt der Wurm,
- es nagt das Moos am Steine.
- Die hohle Brust durchröchelt schwach
- ein rostig Uhrwerk stöhnend,
- sein Stundenschlag ist auch noch wach,
- doch nur die Zeit verhöhnend.
- Denn wenn die Glocken alle ruhn
- ein Viertel vor der Stunde,
- beginnt er ein verkehrtes Tun
- mit eh’rnem Lügenmunde.
- Ob seinem frühen Schlage quält
- sich, was auf Märkten handelt,
- der Kranke, der die Stunden zählt,
- der Reisende, der wandelt.
- Wie dulden es die Städter nur,
- den Trüger stets zu hören?
- So wißt: sie mögen seiner Uhr
- den alten Fluch nicht stören.
- Denn in dem dreißigjähr’gen Sturm,
- im langen Jammerkriege,
- da ward der falsche Schwedenturm
- einst eines Greuels Wiege.
- Verschwörer saßen dort versteckt
- in seiner Glockenstube;
- ein dumpfer Streich ward ausgeheckt
- in luft’ger Mördergrube.
- Als drauf die Stadt voll Frieden schlief,
- die unbewehrte Rechte
- in sichrem Schlummer senkten tief
- des Reiches treue Knechte,
- ein Viertel hub vor Mitternacht
- der Turm an irr zu reden:
- zwölf Schläge dröhnten da mit Macht,
- lauf riefen sie dem Schweden.
- Und der verstand das Zeichen wohl,
- ein Pförtlein fand er offen,
- das Blut in allen Kammern quoll,
- die Schlummerkissen troffen.
- Der Strom empfing, als tiefes Grab,
- der Leichen schwer Gerölle;
- doch Jubel scholl vom Turm herab,
- hoch oben jauchzet die Hölle.
- Ihr Sieg war kurz, ihr Stachel ward
- geknickt durch schnelle Rache,
- dem Turm verräterischer Art
- ließ man des Truges Sprache.
- Im Röderwerk der Wahnsinn knarrt;
- so steht er grau, zerfallen,
- muß, bis man ihn als Schutt verscharrt,
- von seiner Sünde lallen.
Der Mörderturm
… eine Ballade von Gustav SchwabDer Mörderturm von Gustav Schwab wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/schwab/der-moerderturm/
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