- Stapft ein Maidlein auf die Lützelalp,
- Flink und frei und sauber allenthalb.
- Bar der Scheitel, Füß und Waden nackt
- Und die Ärmchen mit der Post bepackt.
- Senngehöfte lehnten ihrer drei
- An der Halde in derselben Reih.
- Furchtsam hielt sie an der ersten Tür,
- Kramt ein Brieflein ordentlich herfür.
- Schritt zum zweiten Gaden alsodann,
- Bracht ein sattes Päckchen an den Mann.
- Endlich drüben bei dem dritten Haus
- Langte sie ein Telegramm heraus.
- Hüpfte dann und jauchzt ein dutzendmal,
- Lief mit lustgen Sprüngen heim zu Tal.
- Gab den Beutel ab im Postkontor,
- Schloff zu Bett und legte sich aufs Ohr.
- Aber oben in der Alpennacht
- Ward bei Licht die ganze Nacht gewacht.
- Aus dem hintersten der Weiler drei
- Klagte Jammerruf und Wehgeschrei.
- In dem mittleren war Mordio im Schwang.
- Aus dem ersten becherte Gesang.
- Maidlein mit dem Kinderangesicht,
- Sag, was hast dort oben angericht’t?
- Säh mans auch den nichtigen Händlein an,
- Daß dir Fluch und Segen klebt daran?
Das Postmaidlein
… eine Ballade von Carl SpittelerDas Postmaidlein von Carl Spitteler wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/spitteler/das-postmaidlein/
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