Die drei Spinnerinnen

eine Ballade von Carl Spitteler

1.

  1. Es sitzen drei alte Jungfern im Turm,
  2. Sie singen und spinnen bei Nacht und Sturm.
  3. Die Erste verwegen die Spindel dreht,
  4. Daß die Bänder flattern, die Kunkel weht.
  5.          »Der König will kriegen
  6.          Die Spindel muß fliegen.
  7.          Zieht aufwärts, zieht abwärts,
  8.          Springt hüben, springt drüben,
  9.          Der Regen aufs Dach,
  10.          Das Tröpflein zum Bach.
  11.          Ein jeder muß eilen,
  12.          Darf keiner weilen.«
  13. 2.

  14. Die Zweite, eh‘ sie den Faden streckt,
  15. Mit hängender Lippe den Daumen leckt.
  16. »Das Thor ist von Eisen, die Burg von Stein,
  17. Was kann fester als Himmel und Erde sein?
  18. Allvater Wodan im Himmel oben,
  19. Den alle guten Geister loben.
  20.          Jetzt über, jetzt unter,
  21.          Fallt alle herunter!
  22.          Ob Kaiser, ob Knab‘,
  23.          Es muß jeder herab.«
  24. 3.

  25. Doch die Dritte das Werg mit den Fingern rupft:
  26. »’s ist alles verknotet, ’s ist alles verzupft.
  27.          Der Zwirn ist verzwickt,
  28.          Der Faden verstrickt,
  29.          Das Wupp ist verworren,
  30.          Die Arbeit verloren.
  31.          Verpfuscht was ich seh:
  32.          O Jammer, o jeh!«
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Quelle: https://balladen.net/spitteler/die-drei-spinnerinnen/