- Ha! wie getroffen steh‘ ich hier!
- Wie ist das Mark, die Seele mir
- Von bangem Schaur durchflossen!
- Ach weh! es ist dein Blut, mein Kind!
- Das hier an diesem Felsen rinnt!
- Ach weh! ich hab’s vergossen!
- Vergossen, Mutter! Kindesblut!
- Fühl’s ganz, wie lastend auf dir ruht
- Der Fluch vom Sündenrächer!
- Nimm, armes Weib! nimm aus der Hand
- Der Rache, die von Gott gesandt,
- Den giftgefüllten Becher!
- Dich trifft die Rache nicht allein!
- Auch Warthfils harret Höllenpein,
- Der treulos dich verlassen?
- Ha! siehst du nicht die Furien
- Mit Geißeln, die den Schändlichen
- An Nacken wütend fassen!
- Der Falsche! – Ach! wie liebt‘ ich ihn!
- Gab ihm der Unschuld Blüte hin
- Mit zärtlichen Bedauern!
- Zertreten ist die Blume nun!
- Der sie zertrat, er floh davon
- Auf neuen Raub zu lauern!
- Magst buhlen auch in fernem Land,
- Verräter! wirst du doch der Hand
- Des Richters nicht entfliehen!
- In Stunden süßer Taumellust
- Wirst fühlen in der bangen Brust
- Die ganze Hölle glühen!
- In jedem Traum mit Angst erfüllt
- Wird mein und meines Kindes Bild
- Dir vor den Blicken schweben!
- Wirst hören meinen Fluch – wirst sehn
- Bluttropfen den Getöteten
- An Stirn‘ und Wange kleben!
- Will stehn am Lager Nächte lang
- Und dir in stürmendem Gesang
- Des Meineids Strafe singen!
- Wie Donner soll ein jeder Schwur,
- Von Gott gehört und der Natur,
- In deine Ohren dringen! –
- Ach wehe! da ich fluche dir,
- Grausamer Vater! seh‘ ich hier
- Dein Kind zu meinen Füßen!
- Ich sehe noch um seinen Mund,
- Entstellt von Todesbläss‘ und Wund‘,
- Ein süßes Lächeln fließen!
- Weg Leichnam! – dein gebrochner Blick,
- Dein totes Lächeln heischt zurück
- Von mir, von mir dein Leben!
- Wollt‘ schmachten Jahre lang in Pein,
- Ein Scheusal unter Menschen sein;
- Könnt‘ ich dir’s wieder geben!
- So mordet dann mich Mörderin!
- Nimmt all mein Blut mein Leben hin!
- Was weil‘ ich auf der Erde,
- Wo meinen Blicken überall
- Mein Kind erscheint in Todesqual
- Mit blutiger Gebärde!
- Straf Richter du und Rächer mich!
- Erbarme mein, Erbarmer, dich!
- O schon der Hoffnungslosen
- Verlaßnen Mutter! – Ewig nicht
- Verwirf von deinem Angesicht,
- Die Kindesblut vergossen!
Seltha, die Kindermörderin
… eine Ballade von Gotthold Friedrich StäudlinSeltha, die Kindermörderin von Gotthold Friedrich Stäudlin wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/staeudlin/seltha-die-kindermoerderin/
Quelle: https://balladen.net/staeudlin/seltha-die-kindermoerderin/