- Es klippt auf den Gassen im Mondenschein;
- Das ist die zierliche Kleine,
- Die geht auf ihren Pantöffelein
- Behend und mutterseelenallein
- Durch die Gassen im Mondenscheine.
- Sie geht in ein alt verfallenes Haus;
- Im Flur ist die Tafel gedecket,
- Da tanzt vor dem Monde die Maus mit der Maus,
- Da setzt sich das Kind mit den Mäusen zu Schmaus,
- Die Tellerlein werden gelecket.
- Und leer sind die Schüsseln; die Mäuslein im Nu
- Verrascheln in Mauer und Holze;
- Nun läßt es dem Mägdlein auch länger nicht Ruh,
- Sie schüttelt ihr Kleidchen, sie schnürt sich die Schuh,
- Dann tritt sie einher mit Stolze.
- Es leuchtet ein Spiegel aus goldnem Gestell,
- Da schaut sie hinein mit Lachen;
- Gleich schaut auch heraus ein Mägdelein hell,
- Das ist ihr einziger Spielgesell;
- Nun wolln sie sich lustig machen.
- Sie nickt voll Huld, ihr gehört ja das Reich;
- Da neigt sich das Spiegelkindlein,
- Da neigt sich das Kind vor dem Spiegel zugleich,
- Da neigen sich beide gar anmutreich,
- Da lächeln die rosigen Mündlein.
- Und wie sie lächeln, so hebt sich der Fuß,
- Es rauschen die seidenen Röcklein,
- Die Händchen werfen sich Kuß um Kuß,
- Das Kind mit dem Kinde nun tanzen muß,
- Es tanzen im Nacken die Löcklein.
- Der Mond scheint voller und voller herein,
- Auf dem Estrich gaukeln die Flimmer:
- Im Takte schweben die Mägdelein,
- Bald tauchen sie tief in die Schatten hinein,
- Bald stehn sie in bläulichem Schimmer.
- Nun sinken die Glieder, nun halten sie an
- Und atmen aus Herzensgrunde;
- Sie nahen sich schüchtern und beugen sich dann
- Und knien voreinander und rühren sich an
- Mit dem zarten unschuldigen Munde.
- Doch müde werden die beiden allein
- Von all der heimlichen Wonne;
- Sehnsüchtig flüstert das Mägdelein:
- »Ich mag nicht mehr tanzen im Mondenschein,
- Ach, käme doch endlich die Sonne!«
- Sie klettert hinunter ein Trepplein schief
- Und schleicht hinab in den Garten.
- Die Sonne schlief, und die Grille schlief.
- »Hier will ich sitzen im Grase tief,
- Und der Sonne will ich warten.«
- Doch als nun morgens um Busch und Gestein
- Verhuschet das Dämmergemunkel,
- Da werden dem Kinde die Äugelein klein;
- Sie tanzte zu lange bei Mondenschein,
- Nun schläft sie bei Sonnengefunkel.
- Nun liegt sie zwischen den Blumen dicht
- Auf grünem, blitzendem Rasen;
- Und es schauen ihr in das süße Gesicht
- Die Nachtigall und das Sonnenlicht
- Und die kleinen neugierigen Hasen.
In Bulemanns Haus
… eine Ballade von Theodor StormIn Bulemanns Haus von Theodor Storm wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/storm/in-bulemanns-haus/
Quelle: https://balladen.net/storm/in-bulemanns-haus/