- Im Wirtshaus sitzt der Vater
- Die Mutter im Theater
- Sie schwelgt im Kunstgenuß.
- Die Tochter, unschuldsreine,
- Liest still beim Lampenscheine
- Den Simplicissimus.
- Wie alle höh’ren Töchter
- Hat sie nicht der Geschlechter
- Verschiedenheit gekennt.
- Doch als sie dies gelesen,
- Ist alles futsch gewesen,
- Was man moralisch nennt.
- Sie ließ den Storchenglauben
- Wohl über Nacht sich rauben,
- Und sonst noch mancherlei.
- Sie las vergnügt die Witze,
- Verstand die frechste Spitze,
- Und wußte, was es sei.
- Als dies die Mutter ahnte
- Und ihr das Schlimmste schwante,
- Sprach sie nicht einen Ton.
- Sie schloß in ihrer Kammer
- Sich ein, mit ihrem Jammer
- Und einem Bariton.
- Noch tiefer ist gesunken
- Der Vater. Schwer betrunken
- Holt er sich bald die Gicht.
- Wie war er gut katholisch!
- Jetzt ist er alkoholisch,
- Bis das sein Bierherz bricht.
- Er geht nicht mehr von hinnen,
- Poussiert die Kellnerinnen
- Vor Gram und Überdruß.
- Und wer hat das verschuldet?
- Der, den man leider duldet,
- Den Simplicissimus!
Gräßliches Unglück, welches eine deutsche Familie betroffen hat
… eine Ballade von Ludwig ThomaGräßliches Unglück, welches eine deutsche Familie betroffen hat von Ludwig Thoma wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/thoma/graessliches-unglueck-welches-eine-deutsche-familie-betroffen-hat/
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