Ludwig von Ficker zugeeignet
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- Oft am Brunnen, wenn es dämmert,
- Sieht man sie verzaubert stehen
- Wasser schöpfen, wenn es dämmert.
- Eimer auf und nieder gehen.
- In den Buchen Dohlen flattern
- Und sie gleichet einem Schatten.
- Ihre gelben Haare flattern
- Und im Hofe schrein die Ratten.
- Und umschmeichelt von Verfalle
- Senkt sie die entzundenen Lider.
- Dürres Gras neigt im Verfalle
- Sich zu ihren Füßen nieder.
- Stille schafft sie in der Kammer
- Und der Hof liegt längst verödet.
- Im Hollunder vor der Kammer
- Kläglich eine Amsel flötet.
- Silbern schaut ihr Bild im Spiegel
- Fremd sie an im Zwielichtscheine
- Und verdämmert fahl im Spiegel
- Und ihr graut vor seiner Reine.
- Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel
- Und sie starrt von Schmerz geschüttelt.
- Röte träufelt durch das Dunkel
- Jäh am Tor der Südwind rüttelt.
- Nächtens übern kahlen Anger
- Gaukelt sie in Fieberträumen.
- Mürrisch greint der Wind im Anger
- Und der Mond lauscht aus den Bäumen.
- Balde rings die Sterne bleichen
- Und ermattet von Beschwerde
- Wächsern ihre Wangen bleichen.
- Fäulnis wittert aus der Erde.
- Traurig rauscht das Rohr im Tümpel
- Und sie friert in sich gekauert.
- Fern ein Hahn kräht. Übern Tümpel
- Hart und grau der Morgen schauert.
- In der Schmiede dröhnt der Hammer
- Und sie huscht am Tor vorüber.
- Glührot schwingt der Knecht den Hammer
- Und sie schaut wie tot hinüber.
- Wie im Traum trifft sie ein Lachen;
- Und sie taumelt in die Schmiede,
- Scheu geduckt vor seinem Lachen,
- Wie der Hammer hart und rüde.
- Hell versprühn im Raum die Funken
- Und mit hilfloser Geberde
- Hascht sie nach den wilden Funken
- Und sie stürzt betäubt zur Erde.
- Schmächtig hingestreckt im Bette
- Wacht sie auf voll süßem Bangen
- Und sie sieht ihr schmutzig Bette
- Ganz von goldnem Licht verhangen,
- Die Reseden dort am Fenster
- Und den bläulich hellen Himmel.
- Manchmal trägt der Wind ans Fenster
- Einer Glocke zag Gebimmel.
- Schatten gleiten übers Kissen,
- Langsam schlägt die Mittagsstunde
- Und sie atmet schwer im Kissen
- Und ihr Mund gleicht einer Wunde.
- Abends schweben blutige Linnen,
- Wolken über stummen Wäldern,
- Die gehüllt in schwarze Linnen.
- Spatzen lärmen auf den Feldern.
- Und sie liegt ganz weiß im Dunkel.
- Unterm Dach verhaucht ein Girren.
- Wie ein Aas in Busch und Dunkel
- Fliegen ihren Mund umschwirren.
- Traumhaft klingt im braunen Weiler
- Nach ein Klang von Tanz und Geigen,
- Schwebt ihr Antlitz durch den Weiler,
- Weht ihr Haar in kahlen Zweigen.
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