Panther-Ballade

eine Ballade von Franz Werfel
  1. Als die greise Uhr die letzten Schläge keuchte,
  2. Fühlt‘ ich nah von mir ein heimliches Geleuchte.
  3. Auf zwei Stühlen, hingestreckt vor meinem Lager,
  4. Lag ein Panther, atmend, flankenstark und hager.
  5. Blaue Flamme Schrecks sprang kurz aus meinem Munde,
  6. Doch kein Blitz fuhr auf in seinem Spiegelgrunde.
  7. Nur die Haare bebten leicht an seinen Ohren,
  8. Daß ich wisse: Rührst du dich, bist du verloren.
  9. Um das Tier zu beugen meinem Willen
  10. Warf ich hart den Blick ihm wider die Pupillen.
  11. Aber seinen Blick vermocht‘ ich nicht zu fassen,
  12. Nur das eigne Aug begann blau schon zu blassen.
  13. Auf des Tieres Iris hellumzirkten Zonen
  14. Funkten und erloschen träge Elektronen.
  15. Leicht im Atem-Takt ein Schwinden und ein Schwellen
  16. Kam und ging von grünorangenen Ätherwellen.
  17. Und aus Flut und Ebbe dieser klaren Feuer
  18. Trat der Kosmen Gleichmut, kalt und ungeheuer.
  19. Letzter Kampf! Mein Mensch-Sein wurde kleiner,
  20. Und sein Tier-Sein mächtiger und reiner,
  21. Bis der angestarrte Mann, der regungslose,
  22. Unterging in großer Tier-Hypnose.
  23. Doch die Katze harrte nur, zu siegen.
  24. Nun ich Aas war, ließ sie links mich liegen,
  25. Sprang hinab und mit gestreckten Lenden
  26. Strich sie lang und lautlos an den Zimmerwänden.
  27. Ich, anheimgegeben tief dem Tiere,
  28. Sprang ihm federnd nach auf alle Viere,
  29. Folgte seinem schwingenden gelaßnen Wallen,
  30. Leicht und listig setzend meine eignen Ballen.
  31. Meine Pranken prüften, Augen wuchsen schiefer,
  32. Leib war Weiche, Sohle nur und Kiefer.
  33. So wie wir im Sternlicht um die Stube fuhren
  34. Stiegen auf die untersten Naturen,
  35. Und der vor mir schweift, der Feind, der Panther
  36. War mir Meister nun und Anverwandter.
  37. Da, wie ohne Last, seitab von unserm Hasten,
  38. Setzt er langen Schwungs auf einen Kleiderkasten.
  39. Ich auch throne schon, ein düstrer Tier-Gedanke,
  40. Panthers Spiegelbild auf einem Gegenschranke.
  41. Und wir starren, schön und urgestaltig
  42. Aug in Aug uns, herrliche Heraldik.
  43. Zwischen unsern Felsen aus dem Dschungelmoore
  44. Schießen Riesenfarren und die Bambusrohre.
Panther-Ballade von Franz Werfel wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/werfel/panther-ballade/