Aus Köllen war ein Edelknecht

… eine Ballade von Clemens Brentano
  1. Aus Köllen war ein Edelknecht
  2. Um Botschaft ausgegangen,
  3. Den Vater hielt ihm Engelbrecht
  4. Der Bischof hart gefangen.

  5. Er ging gen Arle manchen Tag
  6. Er ging in schweren Sorgen,
  7. Sein Liebchen ihm im Sinne lag,
  8. Der hätt er es verborgen,

  9. Ganz traurig er am Brunnen lag,
  10. In Busch und grünen Hecken,
  11. Da hört er schallen Hufesschlag,
  12. Und ging sich zu verstecken.

  13. Er sah da einen frohen Mann
  14. Sein Roß zur Quelle lenken,
  15. Ein andrer ritt betrübt heran,
  16. Sein Pferd am Born zu tränken.

  17. Betrübter Mann! der frohe sprach
  18. Gott woll dir Trost verleihen!
  19. O froher Mann! der andre sprach
  20. Was mag dich so erfreuen!

  21. Herr Gottschalk sprach der frohe Mann
  22. Geht frei aus seinen Banden,
  23. Durch ein Mirakel er entrann
  24. Mit allen den Verbannten.

  25. Er hatte eine kleine Maus
  26. Im Kerker zahm erzogen,
  27. Die ging da freundlich ein und aus,
  28. Und war ihm gar gewogen.

  29. Doch einst sein kleiner Freund entlief,
  30. Und wollte nicht mehr kehren,
  31. Herr Gottschalk ihr gar traurig rief
  32. Das Mäuslein wollt nicht hören.

  33. Das schmerzte den getreuen Mann,
  34. Sein Mäuslein wollt er haben,
  35. Mit seinen Freunden er begann,
  36. Nach ihrem Freund zu graben.

  37. Und in der Erde eingescharrt
  38. Fand Meißel er und Feilen,
  39. Womit er ihre Bande hart,
  40. Gar leichtlich konnt zerteilen.

  41. Der andre sprach, mein Schwesterlein
  42. Es liegt gar schwer gefangen,
  43. Und selbst das treue Mäuslein dein
  44. Könnt nicht zu ihr gelangen.

  45. Des Schlosses Dach ist Himmelblau,
  46. Die Mauren grüne Wellen,
  47. Die Graben rings sind Flur und Au,
  48. Die Fenster Fluß und Quellen.

  49. Der süße Knecht die Liebe brach
  50. In ihres Herzens Kammer,
  51. Ihm stürzten die Gesellen nach,
  52. Der Schmerz und böser Jammer.

  53. Die Liebe blies das Lämpchen aus
  54. Die Schmerzen sie bezwungen,
  55. Und legten sie ins kühle Haus
  56. Wohl auf den Tod gefangen.

  57. Am Fels wo wild der Rhein zerschellt,
  58. Wo bös die Schiffe stranden,
  59. Dort ewig Sie gefangen hält,
  60. Der Schlund in kühlen Banden.

  61. Ein Freund des Bischofs sie belog,
  62. Herr Hermann sei erschlagen,
  63. Der insgeheim aus Köllen zog
  64. Den Vater zu erfragen.

  65. Dann zäumten sie die Rosse auf
  66. Und rüst’ten sich zu scheiden
  67. Und gaben sich den Handschlag drauf
  68. Den Bischof zu bestreiten.

  69. Und da sie aus dem Walde schon,
  70. Trat wieder zu der Quelle
  71. Hermann des treuen Gottschalks Sohn
  72. Der traurige Geselle.

  73. Er schrie hinab zum Wasserschloß,
  74. Wo bös die Schiffe stranden,
  75. Wer macht mein Lieb von Feßlen los,
  76. Wer löset ihr die Banden,

  77. Lebwohl lebwohl, Herr Vater mein,
  78. Leb frei in großen Ehren,
  79. Ich hab verlorn das Mäuslein klein,
  80. Das tut mich gar beschweren,

  81. Lebwohl lebwohl, o Kerker mein
  82. Das Mäuslein ist verloren,
  83. Mein Schwert muß meine Feile sein,
  84. Da tät er sich durchbohren.

  85. Und stürzt hinab ins kühle Haus,
  86. Wo Liebchen liegt gefangen,
  87. O Liebchen breit die Arme aus
  88. Ihn treulich zu umfangen.

  89. Und läg gefangen im kühlen Haus
  90. Die mich so hart betrogen,
  91. Sie hätte, eh dies Liedchen aus
  92. Mich auch hinab gezogen –
Aus Köllen war ein Edelknecht von Clemens Brentano wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/brentano/aus-koellen-war-ein-edelknecht/