Die Weiber von Weinsberg

eine Ballade von Gottfried August Bürger
  1. Wer sagt mir an, wo Weinsberg liegt?
  2. Sol seyn ein wakres Städtchen,
  3. Sol haben, from und klug gewiegt,
  4. Viel Weiberchen und Mädchen.
  5. Kömt mir einmal das Freien ein,
  6. So werd’ ich eins aus Weinsberg frei’n.
  7. Einsmals der Kaiser Konrad war
  8. Dem guten Städtlein böse,
  9. Und rükt’ heran mit Kriegesschaar
  10. Und Reisigengetöse,
  11. Umlagert’ es, mit Ros und Man,
  12. Und schos und rante drauf und dran.
  13. Und als das Städtlein widerstand,
  14. Troz allen seinen Nöten,
  15. Da lies er, hoch von Grim entbrant,
  16. Den Herold ’nein trompeten:
  17. Ihr Schurken, komm’ ich ’nein, so wist,
  18. Sol hängen, was die Wand bepist.
  19. Drob, als er den Avis also
  20. Hinein trompeten lassen,
  21. Gab’s lautes Zetermordio,
  22. Zu Haus und auf den Gassen.
  23. Das Brod war theuer in der Stadt;
  24. Doch theurer noch war guter Rath.
  25. „O weh, mir armen Korydon!
  26. O weh mir! die Pastores
  27. Schrie’n: Kyrie Eleyson!
  28. Wir gehn, wir gehn kapores!
  29. O weh, mir armen Korydon!
  30. Es jukt mir an der Kehle schon.“
  31. Doch wann’s Matthä’ am lezten ist,
  32. Troz Rathen, Thun und Beten,
  33. So rettet oft noch Weiberlist
  34. Aus Aengsten und aus Nöten.
  35. Denn Pfaffentrug und Weiberlist
  36. Gehn über alles, wie ihr wist.
  37. Ein junges Weibchen Lobesan,
  38. Seit gestern erst getrauet,
  39. Giebt einen klugen Einfal an,
  40. Der alles Volk erbauet;
  41. Den ihr, sofern ihr anders wolt,
  42. Belachen und beklatschen solt.
  43. Zur Zeit der stillen Mitternacht
  44. Die schönste Ambassade
  45. Von Weibern sich ins Lager macht,
  46. Und bettelt dort um Gnade.
  47. Sie bettelt sanft, sie bettelt süs,
  48. Erhält doch aber nichts, als dies:
  49. „Die Weiber solten Abzug han,
  50. Mit ihren besten Schäzen,
  51. Was übrig bliebe, wolte man
  52. Zerhauen und zerfezen.“
  53. Mit der Kapitulation
  54. Schleicht die Gesandschaft trüb davon.
  55. Drauf, als der Morgen bricht hervor,
  56. Gebt Achtung! Was geschiehet?
  57. Es öfnet sich das nächste Thor,
  58. Und jedes Weibchen ziehet,
  59. Mit ihrem Mänchen schwer im Sak,
  60. So wahr ich lebe! Huckepak. –
  61. Manch Hofschranz suchte zwar sofort
  62. Das Knifchen zu vereiteln;
  63. Doch Konrad sprach: „Ein Kaiserwort
  64. Sol man nicht drehn noch deuteln.
  65. Ha bravo! rief er, bravo so!
  66. Meint’ unsre Frau es auch nur so!“
  67. Er gab Pardon und ein Banket,
  68. Den Schönen zu gefallen.
  69. Da ward gegeigt, da ward trompet’t,
  70. Und durchgetanzt mit allen,
  71. Wie mit der Burgemeisterin,
  72. So mit der Besenbinderin. –
  73. Ei! sagt mir doch, wo Weinsberg liegt?
  74. Ist gar ein wakres Städtchen.
  75. Hat, treu und from und klug gewiegt,
  76. Viel Weiberchen und Mädchen.
  77. Ich mus, kömt mir das Freien ein,
  78. Fürwahr! mus Eins aus Weinsberg frei’n.
Die Weiber von Weinsberg von Gottfried August Bürger wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/buerger/die-weiber-von-weinsberg/