Schloß Eger

eine Ballade von Theodor Fontane
  1. Lärmend, im Schloß zu Eger,
  2. Ueber dem Ungarwein,
  3. Sitzen die Würdenträger
  4. Herzogs Wallenstein:
  5. Tertschka, des Feldherrn Schwager,
  6. Illo und Kinsky dazu,
  7. Ihre Heimath das Lager,
  8. Und die Schlacht ihre Ruh.
  9. Lustig flackern die Kerzen;
  10. Aber der Tertschka spricht:
  11. „Ist mir’s Nacht im Herzen,
  12. Oder vor’m Gesicht?
  13. Diese Lichter leuchten
  14. Wie in dunkler Gruft,
  15. Und die Wände, die feuchten,
  16. Hauchen Grabesluft.“
  17. Feurig funkelt der Unger;
  18. Aber der Kinsky spricht:
  19. „Draußen bei Frost und Hunger
  20. Schüttelte so mich’s nicht,
  21. Hielte lieber bei Lützen
  22. Wieder in Qualm und Rauch;
  23. Wolle Gott uns schützen,
  24. Oder – der Teufel auch.“
  25. Illo nur, Herz wie Kehle
  26. Hält er bei Laune sich,
  27. Dicht ist seine Seele
  28. Gegen Hieb und Stich,
  29. Trägt ein Büffelkoller
  30. Wie sein Körper traun,
  31. Lustiger und toller
  32. War er nie zu schaun.
  33. Und vom Trunke heiser
  34. Ruft er jetzt und lacht:
  35. „Das erst ist der Kaiser,
  36. Wer den Kaiser macht;
  37. Eid und Treue brechen,
  38. Thaten wir’s allein?
  39. Hoch der König der Czechen,
  40. Herzog Wallenstein!“
  41. Burg- und Schloß-Bewohner
  42. Ruhen … Da sieh, in Stahl,
  43. Buttlersche Dragoner
  44. Dringen in den Saal;
  45. Buttler selbst, im Helme,
  46. Tritt an den Illo: „sprich,
  47. Seid ihr Schurken und Schelme,
  48. Oder gut kaiserlich?!“
  49. Hei, da fahren die Klingen
  50. Wie von selber heraus,
  51. Von dem Pfeifen und Schwingen
  52. Löschen die Lichter aus;
  53. Weiter geht es im Dunkeln,
  54. Nein, im Dunkeln nicht:
  55. Ihrer Augen Funkeln
  56. Giebt das rechte Licht.
  57. Tertschka fällt; daneben
  58. Kinsky mit Fluch und Schwur;
  59. Mehr um Tod wie Leben
  60. Ficht selbst Illo nur,
  61. Schlägt blindhin in Scherben
  62. Schädel und Flaschen jetzt,
  63. Wie ein Eber im Sterben
  64. Noch die Hauer wetzt.
  65. Licht und Fackel kommen,
  66. Geben düstren Schein:
  67. In einander verschwommen
  68. Blinken Blut und Wein;
  69. Ueberall im Saale
  70. Leichen in buntem Gemisch,
  71. Stumm, vor seinem Mahle,
  72. Sitzt der Tod am Tisch.
  73. Buttler aber, wie Wetter
  74. Donnert jetzt: „laßt sie ruhn!
  75. Das sind erst die Blätter,
  76. An die Wurzel nun.“
  77. Bald in Schlosses Ferne
  78. Hört man’s krachen und schrein; –
  79. Schau nicht in die Sterne,
  80. Rette dich, Wallenstein!
Schloß Eger von Theodor Fontane wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/fontane/schloss-eger/