Schelm von Bergen

eine Ballade von Heinrich Heine
  1. Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein
  2. Wird Mummenschanz gehalten;
  3. Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,
  4. Da tanzen die bunten Gestalten.
  5. Da tanzt die schöne Herzogin,
  6. Sie lacht laut auf beständig;
  7. Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,
  8. Gar höfisch und behendig.
  9. Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,
  10. Daraus gar freudig blicket
  11. Ein Auge, wie ein blanker Dolch,
  12. Halb aus der Scheide gezücket.
  13. Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,
  14. Wenn jene vorüberwalzen.
  15. Der Drickes und die Marizzebill
  16. Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.
  17. Und die Trompeten schmettern drein,
  18. Der närrische Brummbaß brummet,
  19. Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt
  20. Und die Musik verstummet.
  21. „Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
  22. Ich muß nach Hause gehen – „
  23. Die Herzogin lacht: „Ich laß dich nicht fort,
  24. Bevor ich dein Antlitz gesehen.“
  25. „Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
  26. Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen – „
  27. Die Herzogin lacht: „Ich fürchte mich nicht,
  28. Ich will dein Antlitz schauen.“
  29. „Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
  30. Der Nacht und dem Tode gehör ich – „
  31. Die Herzogin lacht: „Ich lasse dich nicht,
  32. Dein Antlitz zu schauen begehr ich. „
  33. Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,
  34. Das Weib nicht zähmen kunnt er;
  35. Sie riß zuletzt ihm mit Gewalt
  36. Die Maske vom Antlitz herunter.
  37. „Das ist der Scharfrichter von Bergen!“ So schreit
  38. Entsetzt die Menge im Saale
  39. Und weichet scheusam – die Herzogin
  40. Stürzt fort zu ihrem Gemahle.
  41. Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach
  42. Der Gattin auf der Stelle.
  43. Er zog sein blankes Schwert und sprach:
  44. „Knie vor mir nieder, Geselle!
  45. Mit diesem Schwertschlag mach ich Dich
  46. Jetzt ehrlich und ritterzünftig,
  47. Und weil du ein Schelm, so nenne dich
  48. Herr Schelm von Bergen künftig.“
  49. So ward der Henker ein Edelmann
  50. Und Ahnherr der Schelme von Bergen.
  51. Ein stolzes Geschlecht! Es blühte am Rhein,
  52. Jetzt schläft es in steinernen Särgen.
Schelm von Bergen von Heinrich Heine wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/heine/schelm-von-bergen/