Apoll und Daphne

eine Ballade von Ludwig Heinrich Christoph Hölty
  1. Apoll, der gern nach Mädchen schielte,
  2. Wie Dichter thun,
  3. Sah einst im Thal, wo Zephyr spielte,
  4. Die Daphne ruhn.
  5. Er nahte sich mit Stutzertritten;
  6. Kein Reh flieht so,
  7. Als Daphne, die mit Zephyrschritten
  8. Dem Gott entfloh.
  9. Sie flog voran, Apollo keuchte
  10. Ihr hitzig nach,
  11. Bis er das arme Ding erreichte,
  12. Am Silberbach.
  13. Da rief sie, rettet mich, ihr Götter!
  14. Die Thörin die!
  15. Zeus winkte – starre Lorbeerblätter
  16. Umflogen sie.
  17. Ihr Füßgen, sonst so niedlich, pflanzte
  18. Sich plötzlich fest
  19. Tief in der Erde. Gaukelnd tanzte
  20. Um sie der West.
  21. Apollo klagte ganze Stunden
  22. Am Lorbeerbaum,
  23. Hielt ihn mit festen Arm umwunden,
  24. Stand, als im Traum.
  25. Er lehnte seine feuchten Wangen
  26. Ans grüne Holz,
  27. Jüngst eine Nymphe, sein Verlangen,
  28. Der Nymphen Stolz.
  29. Er girrte noch ein Weilchen, pflückte
  30. Nun jenen Kranz,
  31. Der seine blonde Scheitel schmückte,
  32. Bey Spiel und Tanz.
  33. Du arme Daphne! Tausend pflücken
  34. Nun Kränze sich,
  35. Von deinen Haaren, sich zu schmücken,
  36. Du dauerst mich!
  37. Die Krieger und die Dichter hausen
  38. In deinem Haar,
  39. Wie Stürme, die den Wald durchbrausen;
  40. Die Köche gar.
  41. Ja, ja, die braunen Köche ziehen
  42. Dir Locken aus,
  43. Zum lieblichen Gewürz der Brühen,
  44. Beym fetten Schmaus.
  45. Laßt euch dies Beyspiel, Mädchen! rühren,
  46. Das Warnung spricht,
  47. Und flieht, so lang euch Reize zieren,
  48. Den Jüngling nicht.
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Quelle: https://balladen.net/hoelty/apoll-und-daphne/