Die Wut der Frauen

eine Ballade von Johann Friedrich Löwen

Bänkelballade über eine wahre Begebenheit, die sich im Januar 1759 in Hamburg ereignete

  1. Ach! hört mit Furcht und Grauen
  2. ihr guten Männer an,
  3. wozu die Wut der Frauen
  4. euch alle reizen kann.
  5. Glaubt nicht, daß ihr auf Erden
  6. stets euren Himmel habt,
  7. wenn euch bei viel Beschwerden
  8. der Kuß der Schönen labt.
  9. Quält in dem Weltgetümmel
  10. den Mann des Ehstands Pflicht:
  11. so glaubt, der gute Himmel
  12. schloß seine Ehe nicht.
  13. So glaubt, er kaufte teuer
  14. den kurzen Zeitvertreib;
  15. so glaubt, ein Fegefeuer
  16. ward ihm sein liebes Weib.
  17. Dann kennt er ohne Zweifel
  18. die Hölle ganz genau:
  19. denn mehr als sieben Teufel
  20. quält eine böse Frau.
  21. In Eheprüfungsstunden
  22. hat mancher Hahnrei oft
  23. beim Trost, den er empfunden,
  24. auf Rache mit gehofft.
  25. Er dacht an seine Brüder
  26. und an der Ehe Lauf
  27. und setzte manchem wieder
  28. zwölfend’ge Hörner auf.
  29. Drum nehmt, geplagte Männer,
  30. Geduld und Tröstung wahr:
  31. zankt eure Frau im Jenner,
  32. zankt ihr im Februar.
  33. Hat sie im März von Ränken
  34. das starre Köpfchen voll,
  35. greift im April zu Schwänken
  36. und macht im Mai sie toll.
  37. So standhaft wechselt immer;
  38. merkt diesen treuen Rat:
  39. tut nie, was einstens schlimmer
  40. ein armer Ehmann tat.
  41. Er, der bei grauen Haaren
  42. ein rasches Mädchen nahm
  43. und nunmehr schnell erfahren,
  44. wie man zu Hörnern kam, –
  45. er glaubte, da zur Rache
  46. sein Alter ihn gelähmt,
  47. es sei sein schöner Drache
  48. durch Schmeicheln leicht gezähmt.
  49. Allein, wie grimmig flogen
  50. nicht oft dem armen Tropf,
  51. der schrecklich sich betrogen,
  52. die Schlüssel nach dem Kopf.
  53. Sie droht, er mußte fliegen
  54. und kommen, wenn sie rief,
  55. und unterm Stuhle kriechen,
  56. saß ihr das Kopfzeug schief.
  57. Zehn scharfe Nägel fuhren
  58. ihm öfters durch den Bart
  59. und hinterließen Spuren
  60. von ihrer Gegenwart.
  61. Einst, schrecklich ist’s zu sagen!
  62. wollt er das erstemal
  63. zu widersprechen wagen,
  64. da seh er seine Qual.
  65. Mir, rief sie, mir zu wehren!
  66. und ich, ich schweige still?
  67. Dein Wunder sollst du hören,
  68. ein Wort ist gnug: ich will“
  69. Schon flammten ihre Blicke;
  70. ein Wörtchen sprach er nur,
  71. als schnell in die Perücke
  72. Glas und Pantoffel fuhr.
  73. Er schwieg und lief verzaget
  74. fünf Treppen unters Dach;
  75. da hat er viel geklaget –
  76. du Muse, klag ihm nach.
  77. Ach! ist ein Mann auf Erden
  78. wohl so geplagt als du?
  79. Erst muß ich Hahnrei werden,
  80. dann Prügel noch dazu?“
  81. Er dachte drauf mit Schmerzen
  82. an alle seine Not
  83. und fühlte Wut im Herzen
  84. und knirscht und rief den Tod.
  85. Der Tod, der ungebeten
  86. oft kömmt mit Ungestüm,
  87. kroch doch in diesen Nöten
  88. nicht unters Dach zu ihm.
  89. Und weil er nicht gekommen,
  90. so hat er wehmutsvoll
  91. gar den Entschluß genommen,
  92. den keiner nehmen soll.
  93. „Der, welcher sich erhenket,
  94. schloß er, fühlt kurze Pein.
  95. Mein Weib, wenn man’s bedenket,
  96. wird stets mein Henker sein.
  97. Was acht ich denn der Qualen
  98. von einem Augenblick?
  99. da schon zu tausend Malen –
  100. komm her, geliebter Strick!“
  101. Es war der letzte Jenner,
  102. als sich der Geck erhing
  103. und für geplagte Männer
  104. die Märterkron empfing.
Die Wut der Frauen von Johann Friedrich Löwen wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/loewen/die-wut-der-frauen/