Die Geister am Mummelsee

eine Ballade von Eduard Mörike
  1. Vom Berge was kommt dort um Mitternacht spaet
  2. Mit Fackeln so praechtig herunter?
  3. Ob das wohl zum Tanze, zum Feste noch geht?
  4. Mir klingen die Lieder so munter.
  5.                      O nein!
  6. So sage, was mag es wohl sein?
  7. Das, was du da siehest, ist Totengeleit,
  8. Und was du da hoerest, sind Klagen.
  9. Dem Koenig, dem Zauberer, gilt es zu Leid,
  10. Sie bringen ihn wieder getragen.
  11.                      O weh!
  12. So sind es die Geister vom See!
  13. Sie schweben herunter ins Mummelseetal –
  14. Sie haben den See schon betreten –
  15. Sie ruehren und netzen den Fuss nicht einmal –
  16. Sie schwirren in leisen Gebeten –
  17.                      O schau,
  18. Am Sarge die glaenzende Frau!
  19. jetzt oeffnet der See das gruenspiegelnde Tor;
  20. Gib acht, nun tauchen sie nieder!
  21. Es schwankt eine lebende Treppe hervor,
  22. Und – drunten schon summen die Lieder.
  23.                      Hoerst du?
  24. Sie singen ihn unten zur Ruh.
  25. Die Wasser, wie lieblich sie brennen und gluehn!
  26. Sie spielen in gruenendem Feuer;
  27. Es geisten die Nebel am Ufer dahin,
  28. Zum Meere verzieht sich der Weiher –
  29.                      Nur still!
  30. Ob dort sich nichts ruehren will?
  31. Es zuckt in der Mitten – o Himmel! ach hilf!
  32. Nun kommen sie wieder, sie kommen!
  33. Es orgelt im Rohr und es klirret im Schilf;
  34. Nur hurtig, die Flucht nur genommen!
  35.                      Davon!
  36. Sie wittern, sie haschen mich schon!
Die Geister am Mummelsee von Eduard Mörike wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/moerike/die-geister-am-mummelsee/