- »Graf Douglas, presse den Helm ins Haar,
- gürt’ um dein lichtblau’ Schwert,
- schnall’ an dein schärfstes Sporenpaar
- und sattle dein schnellstes Pferd!
- Der Totenwurm pickt in Scones Saal,
- ganz Schottland hört ihn hämmern,
- König Robert liegt in Todesqual,
- sieht nimmer den Morgen dämmern!« –
- Sie ritten vierzig Meilen fast
- und sprachen Worte nicht vier,
- und als sie kamen vor Königs Palast,
- da blutete Sporn und Tier.
- König Robert lag im Norderthurn,
- sein Auge begann zu zittern:
- »Ich höre das Schwert von Bannockburn
- auf der Treppe rasseln und schüttern!
- Ha! Gottwillkomm, mein tapf’rer Lord!
- Es geht mit mir zu End’.
- Und du sollst hören mein letztes Wort
- und schreiben mein Testament:
- Es war am Tag von Bannockburn,
- da aufging Schottlands Stern,
- es war am Tag von Bannockburn,
- da schwur ich’s Gott dem Herrn:
- Ich schwur, wenn der Sieg mir sei verliehn
- und fest mein Diadem,
- mit tausend Lanzen wollt’ ich ziehn
- Hin gen Jerusalem.
- Der Schwur wird falsch, mein Herz steht still,
- es brach in Müh’ und Streit,
- es hat, wer Schottland bändigen will,
- zum Pilgern wenig Zeit.
- Du aber, wenn mein Wort verhallt
- und aus ist Stolz und Schmerz,
- sollst schneiden aus meiner Brust alsbald
- mein schlachtenmüdes Herz.
- Du sollst es hüllen in roten Samt
- und schließen in gelbes Gold,
- und es sei, wenn gelesen mein Totenamt,
- im Banner das Kreuz entrollt.
- Und nehmen sollst du tausend Pferd’
- und tausend Helden frei,
- und geleiten mein Herz in des Heilands Erd’,
- damit es ruhig sei!«
- »Nun vorwärts, Angus und Lothian,
- laßt flattern den Busch vom Haupt,
- der Douglas hat des Königs Herz,
- wer ist es, der’s ihm raubt?
- Mit den Schwertern schneidet die Taue ab,
- alle Segel in die Höh’!
- Der König fährt in das schwarze Grab,
- und wir in die schwarzblaue See!«
- Sie fuhren Tage neunzig und neun,
- gen Ost ward der Wind gewandt,
- und bei dem hundertsten Morgenschein,
- da stießen sie an das Land.
- Sie ritten über die Wüste gelb,
- wie im Tale blitzte der Fluß,
- die Sonne stach durchs Helmgewölb’,
- als wie ein Bogenschuß.
- Und die Wüste war still, und kein Lufthauch blies,
- und schlaff hing Schärpe und Fahn’,
- da flog in Wolken der stäubende Kies,
- draus flimmernde Spitzen sahn.
- Und die Wüste ward voll, und die Luft erscholl,
- und es hob sich Wolk’ an Wolk’.
- Aus jeder berstenden Wolke quoll
- speerwerfendes Reitervolk.
- Zehntausend Lanzen funkelten rechts,
- zehntausend schimmerten links,
- »Allah, il Allah!« scholl es rechts,
- »Il Allah!« scholl es links. –
- Der Douglas zog die Zügel an,
- und still stand Herr und Knecht:
- »Beim heiligen Kreuz und Sankt Alban,
- das gibt ein grimmig Gefecht!«
- Eine Kette von Gold um den Hals ihm hing,
- dreimal um ging sie rund,
- eine Kapsel an der Kette hing,
- die zog er an den Mund:
- »Du bist mir immer gegangen voran,
- o Herz! bei Tag und Nacht,
- drum sollst du auch heut’, wie du stets getan,
- vorangehn in die Schlacht.
- Und verlasse der Herr mich drüben nicht,
- wie ich hier dir treu verblieb,
- und gönne mir noch auf das Heidengezücht
- einen christlichen Schwerteshieb.«
- Er warf den Schild auf die linke Seit’
- und band den Helm herauf,
- und als zum Würgen er saß bereit,
- in den Bügeln stand er auf:
- »Wer dies Geschmeid’ mir wieder schafft,
- des Tages Ruhm sei sein!«
- Da warf er das Herz mit aller Kraft
- in die Feinde mitten hinein.
- Sie schlugen das Kreuz mit dem linken Daum’,
- die Rechte den Schaft legt’ ein,
- die Schilde zurück und los den Zaum!
- Und sie ritten drauf und drein. –
- Und es war ein Stoß, und es war eine Flucht
- und rasender Tod rundum,
- und die Sonne versank in die Meeresbucht,
- und die Wüste ward wieder stumm.
- Und der Stolz des Ostens, er lag gefällt
- im meilenweiten Kreis,
- und der Sand ward rot auf dem Leichenfeld,
- der nie mehr wurde heiß.
- Von den Helden allen, durch Gottes Huld
- entrann nicht Mann, noch Pferd,
- kurz ist die schottische Geduld
- und lang ein schottisch Schwert!
- Doch wo am dicksten ringsumher
- die Feinde lagen im Sand,
- da hatte ein falscher Heidenspeer
- dem Grafen das Herz durchrannt.
- Und er schlief mit klaffendem Kettenhemd,
- längst aus war Stolz und Schmerz,
- doch unter dem Schilde festgeklemmt
- lag König Roberts Herz.
Das Herz von Douglas
… eine Ballade von Moritz von StrachwitzDas Herz von Douglas von Moritz von Strachwitz wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/strachwitz/das-herz-von-douglas/
Quelle: https://balladen.net/strachwitz/das-herz-von-douglas/