Der schwarze Ritter

… eine Ballade von Ludwig Uhland
  1. Pfingsten war, das Fest der Freude,
  2. Das da feiern Wald und Haide.
  3. Hub der König an zu sprechen:
  4. „Auch aus den Hallen
  5. Der alten Hofburg allen
  6. Soll ein reicher Frühling brechen!“

  7. Trommeln und Trommeten schallen,
  8. Rothe Fahnen festlich wallen.
  9. Sah der König vom Balkone;
  10. In Lanzenspielen
  11. Die Ritter alle fielen
  12. Vor des Königs starkem Sohne.

  13. Aber vor des Kampfes Gitter
  14. Ritt zuletzt ein schwarzer Ritter.
  15. „Herr! wie ist Eur Nam’ und Zeichen?“
  16. „Würd’ ich es sagen,
  17. Ihr möchtet zittern und zagen,
  18. Bin ein Fürst von großen Reichen.“

  19. Als er in die Bahn gezogen,
  20. Dunkel ward des Himmels Bogen
  21. Und das Schloß begann zu beben.
  22. Beim ersten Stoße
  23. Der Jüngling sank vom Rosse,
  24. Konnte kaum sich wieder heben.

  25. Pfeif’ und Geige ruft zu Tänzen,
  26. Fackeln durch die Säle glänzen;
  27. Wankt ein großer Schatten drinnen.
  28. Er thät mit Sitten
  29. Des Königs Tochter bitten,
  30. Thät den Tanz mit ihr beginnen.

  31. Tanzt im schwarzen Kleid von Eisen,
  32. Tanzet schauerliche Weisen,
  33. Schlingt sich kalt um ihre Glieder.
  34. Von Brust und Haaren
  35. Entfallen ihr die klaren
  36. Blümlein welk zur Erde nieder.

  37. Und zur reichen Tafel kamen
  38. Alle Ritter, alle Damen.
  39. Zwischen Sohn und Tochter innen
  40. Mit bangem Muthe
  41. Der alte König ruhte,
  42. Sah sie an mit stillem Sinnen.

  43. Bleich die Kinder beide schienen,
  44. Bot der Gast den Becher ihnen:
  45. „Goldner Wein macht euch genesen.“
  46. Die Kinder tranken,
  47. Sie thäten höflich danken:
  48. „Kühl ist dieser Trunk gewesen.“

  49. An des Vaters Brust sich schlangen
  50. Sohn und Tochter; ihre Wangen
  51. Thäten völlig sich entfärben.
  52. Wohin der graue,
  53. Erschrockne Vater schaue,
  54. Sieht er eins der Kinder sterben.

  55. „Weh! die holden Kinder beide
  56. Nahmst du hin in Ingendfreude:
  57. Nimm auch mich, den Freudelosen!“
  58. Da sprach der Grimme
  59. Mit hohler, dumpfer Stimme:
  60. „Greis! im Frühling brech’ ich Rosen.“
Der schwarze Ritter von Ludwig Uhland wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/uhland/der-schwarze-ritter/