Schwäbische Kunde

eine Ballade von Ludwig Uhland
  1. Als Kaiser Rothbart lobesam
  2. Zum heil’gen Land gezogen kam,
  3. Da mußt’ er mit dem frommen Heer
  4. Durch ein Gebirge, wüst und leer.
  5. Daselbst erhub sich große Noth,
  6. Viel Steine gab’s und wenig Brot,
  7. Und mancher deutsche Reitersmann
  8. Hat dort den Trunk sich abgethan.
  9. Den Pferden war’s so schwach im Magen,
  10. Fast mußt’ der Reiter die Mähre tragen.
  11. Nun war ein Herr aus Schwabenland,
  12. Von hohem Wuchs und starker Hand,
  13. Deß Rößlein war so krank und schwach,
  14. Er zog es nur am Zaume nach,
  15. Er hätt’ es nimmer aufgegeben
  16. Und kostet’s ihn das eigne Leben.
  17. So blieb er bald ein gutes Stück
  18. Hinter dem Heereszug zurück,
  19. Da sprengten plötzlich in die Queer
  20. Fünfzig türkische Reiter daher,
  21. Die huben an, auf ihn zu schießen,
  22. Nach ihm zu werfen mit den Spießen.
  23. Der wackre Schwabe forcht’ sich nit,
  24. Ging seines Weges Schritt vor Schritt,
  25. Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
  26. Und thät nur spöttlich um sich blicken,
  27. Bis Einer, dem die Zeit zu lang,
  28. Auf ihn den krummen Säbel schwang.
  29. Da wallt dem Deutschen auch sein Blut,
  30. Er trifft des Türken Pferd so gut,
  31. Er haut ihm ab mit Einem Streich
  32. Die beiden Vorderfüß’ zugleich.
  33. Als er das Thier zu Fall gebracht,
  34. Da faßt er erst sein Schwerdt mit Macht,
  35. Er schwingt es auf des Reiters Kopf,
  36. Haut durch bis auf den Sattelknopf,
  37. Haut auch den Sattel noch zu Stücken
  38. Und tief noch in des Pferdes Rücken;
  39. Zur Rechten sieht man, wie zur Linken,
  40. Einen halben Türken heruntersinken.
  41. Da packt die Andern kalter Graus,
  42. Sie fliehen in alle Welt hinaus,
  43. Und Jedem ist’s, als würd’ ihm mitten
  44. Durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.
  45. Drauf kam des Wegs ’ne Christenschaar,
  46. Die auch zurück geblieben war,
  47. Die sahen nun mit gutem Bedacht
  48. Was Arbeit unser Held gemacht.
  49. Von denen hat’s der Kaiser vernommen,
  50. Der ließ den Schwaben vor sich kommen,
  51. Er sprach: „Sagt an, mein Ritter werth!
  52. Wer hat Euch solche Streich’ gelehrt?“
  53. Der Held bedacht’ sich nicht zu lang:
  54. „Die Streiche sind bei uns im Schwang,
  55. Sie sind bekannt im ganzen Reiche,
  56. Man nennt sie halt nur Schwabenstreiche.“
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Quelle: https://balladen.net/uhland/schwaebische-kunde/