- Der treue Walther ritt vorbei
- An unsrer Frau Kapelle.
- Da kniete gar in tiefer Reu’
- Ein Mägdlein an der Schwelle.
- „Halt an, halt an, mein Walther traut!
- Kennst du nicht mehr der Stimme Laut,
- Die du so gerne hörtest?“
- „Wen seh’ ich hier? Die falsche Maid,
- Ach! weiland, ach, die Meine!
- Wo liessest du dein seiden Kleid?
- Wo Gold und Edelsteine?“
- „O daß ich von der Treue ließ!
- Verloren ist mein Paradies,
- Bei dir nur find’ ich’s wieder.“
- Er hub zu Roß das schöne Weib,
- Er trug ein sanft Erbarmen;
- Sie schlang sich fest um seinen Leib
- Mit weissen, weichen Armen.
- „Ach, Walther traut! mein liebend Herz,
- Es schlägt an kaltes, starres Erz,
- Es klopft nicht an dem deinen.“
- Sie ritten ein in Walthers Schloß,
- Das Schloß war öd’ und stille,
- Sie band den Helm dem Ritter los;
- Hin war der Schönheit Fülle.
- „Die Wangen bleich, die Augen trüb,
- Sie sind dein Schmuck, du treues Lieb!
- Du warst mir nie so lieblich.“
- Die Rüstung löst die fromme Maid
- Dem Herrn, den sie betrübet.
- „Was seh’ ich? ach! ein schwarzes Kleid!
- Wer starb, den du geliebet?“
- „Die Liebste mein betraur’ ich sehr,
- Die ich auf Erden nimmermehr,
- Noch über’m Grabe finde.“
- Sie sinkt zu seinen Füßen hin,
- Mit ausgestreckten Armen.
- „Da lieg’ ich arme Büßerin,
- Dich fleh’ ich um Erbarmen.
- Erhebe mich zu neuer Lust!
- Laß mich an deiner treuen Brust
- Von allem Leid genesen!“
- „Steh auf, steh auf, du armes Kind!
- Ich kann dich nicht erheben;
- Die Arme mir verschlossen sind,
- Die Brust ist ohne Leben.
- Sey traurig stets, wie ich es bin!
- Die Lieb’ ist hin, die Lieb’ ist hin,
- Und kehret niemals wieder.“
Vom treuen Walther
… eine Ballade von Ludwig UhlandVom treuen Walther von Ludwig Uhland wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.
Quelle: https://balladen.net/uhland/vom-treuen-walther/
Quelle: https://balladen.net/uhland/vom-treuen-walther/