Die Menagerie der Götter

eine Ballade von Gottfried August Bürger
  1. Wie hier an Affen, Papagein,
  2. An Kakadu und Raben
  3. Hofherrn und Damen insgemein
  4. Ihr träges Müthchen laben:
  5. So hegt auch mancher Gott sein Thier,
  6. Selbst in der Himmelsstube.
  7. Zeus dahlt mit seinem Adler schier
  8. Wie ein Quintanerbube.
  9. Der darf in Cabinet und Saal,
  10. Auf Stuhl und Tafel springen
  11. Und keck ein ganzes Göttermahl
  12. Ambrosia verschlingen.
  13. Allein, wer soviel frißt, der muß,
  14. Mit Gunst! auch viel hofieren;
  15. Drum möchte Juno voll Verdruß
  16. Ihm oft den Steiß verschnüren.
  17. Dagegen kann ihr Pfauenpaar
  18. Sie desto baß erfreuen;
  19. Doch schmälet Zeus, und dies ist wahr,
  20. Daß sie abscheulich schreien.
  21. Mit Täubchen kürzt an ihrem Platz
  22. Sich Cypria die Stunden.
  23. Ihr Por läßt flattern einen Spatz,
  24. An langen Zwirn gebunden.
  25. Minerva kömmt durch ihre Gunst
  26. Noch dem Olymp zu statten;
  27. Denn ihre Eule fängt mit Kunst
  28. Die Himmelsmäus‘ und Ratten.
  29. Apoll hält solchen Tand für schwach,
  30. Nährt sich vier stolze Schimmel
  31. Und galopiret Tag für Tag
  32. Eins durch den weiten Himmel.
  33. Auch, sagt man, hält er einen Schwan,
  34. Deß wunderbarer Schnabel
  35. Trotz Roms Castraten singen kann;
  36. Doch halt‘ ich dies für Fabel.
  37. Lyäus läßt den Wagen gar
  38. Von zahmen Tigern führen
  39. Und ohne Sorge vor Gefahr
  40. Sich durch die Welt kutschiren.
  41. Vor Plutons schwarzer Pforte bellt
  42. Der größte Bullenbeißer
  43. Und macht die Qual der Unterwelt
  44. Durch sein Geheul noch heißer. –
  45. Vor allen Thieren, groß und klein,
  46. Die sich bei Göttern mästen,
  47. Behagt Silenus‘ Eselein
  48. Noch meinem Sinn am besten.
  49. Das ist, fürwahr! ein feines Vieh,
  50. Von sondrer Zucht und Ehren
  51. Und läßt von vorn und hinten nie
  52. Was Unverschämtes hören.
  53. Mit sich und seinem Herrn vergnügt,
  54. Geduldig allerwegen,
  55. Nimmt es vorlieb, sowie sich’s fügt,
  56. Mit Marzipan und Schlägen.
  57. Zum Keller weiß es hin und her
  58. Den Weg von selbst zu finden;
  59. Auch braucht man gar nicht drüberher
  60. Den Reiter fest zu binden.
  61. Piano klimmt’s den Berg hinan,
  62. Piano tritt’s bergunter
  63. Und wirft den trunknen Ehrenmann
  64. Kein einzig Mal herunter.
  65. So einen Esel wünscht‘ ich mir! –
  66. Silen, wirst du einst sterben,
  67. So laß mich dies bequeme Thier,
  68. Laß, Vater, laß mich’s erben!
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Quelle: https://balladen.net/buerger/die-menagerie-der-goetter/