Die schlesischen Weber

eine Ballade von Heinrich Heine
  1. Im düstern Auge keine Thräne,
  2. Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
  3. Deutschland, wir weben Dein Leichentuch,
  4. Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
  5. Wir weben, wir weben!
  6. Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
  7. In Winterskälte und Hungersnöthen;
  8. Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
  9. Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
  10. Wir weben, wir weben!
  11. Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
  12. Den unser Elend nicht konnte erweichen,
  13. Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
  14. Und uns wie Hunde erschießen läßt –
  15. Wir weben, wir weben!
  16. Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
  17. Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
  18. Wo jede Blume früh geknickt,
  19. Wo Fäulniß und Moder den Wurm erquickt –
  20. Wir weben, wir weben!
  21. Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
  22. Wir weben emsig Tag und Nacht –
  23. Altdeutschland, wir weben Dein Leichentuch,
  24. Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
  25. Wir weben, wir weben!

Hintergrund

Die schlesischen Weber ist eine Ballade von Heinrich Heine, die unter dem Titel Die armen Weber am 10. Juli 1844 in der Zeitschrift Vorwärts! erschien. Vorwärts! war der Titel einer deutschsprachigen Zeitung, die zwischen 1844 und '45 erschien und maßgeblich vom Philosophen und Ökonomen Karl Marx geprägt wurde. Das Blatt richtete sich vordergründig an demokratische Oppositionelle in Deutschland.

Das Gedicht Heines ist eine Kritik an den schwerwiegenden Missständen, die mit der Industriellen Revolution und europäischen Bevölkerungsexplosion jener Zeit einhergingen. Das Werk widmet sich exemplarisch den Webern, die besonders unter den Folgen der Industrialisierung litten, weshalb sie im Juni 1844 einen Aufstand gegen Ausbeutung und Lohnverfall wagten.

Die Ballade wurde vom Königlich-Preußischen-Kammergericht aufgrund ihres "aufrührerischen Tones" verboten, weshalb nicht nur die Verbreitung, sondern auch die öffentliche Rezitation unter Strafe standen. Dennoch verbreitete sich Heines Ballade in den Aufstandsgebieten - nicht zuletzt, da sie in einer Auflage von 50.000 Stück als Flugblatt verteilt wurde - wodurch die Menschen über den Weberaufstand sowie die missliche Lage der Weber erfuhren.

Die soziale Frage wurden zum gesellschaftlichen Thema. Und Heine ist es, der durch die Ballade deutlich macht, dass er die Anliegen der Arbeiter für begründet hält und vor allem das politische System für die Probleme verantwortlich macht. Heines Einschätzung, dass eine tiefgreifende Veränderung in Deutschland bevorsteht, wurde spätestens im Jahr 1848 durch die Märzrevolution bestätigt.

Analyse

Gedichtart Ballade (Kunstballade)
Strophen & Verse Gliedert sich in 6 Strophen á 5 Verszeilen. Insgesamt liegen 25 Verse mit 148 Wörtern und 744 Zeichen vor.
Versmaß
(Metrum)
In jedem Vers liegen vier Hebungen vor ("Im düstern Auge keine Träne,"); im letzten Vers jeder Strophe liegen zwei Hebungen vor ("Wir weben, wir weben!"). Dennoch gibt es kein durchgehendes regelmäßiges Versmaß in der Ballade.
Reimschema Paarreim (aabb ...), Kehrreim ("Wir weben, wir weben!").
Die schlesischen Weber von Heinrich Heine wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/heine/die-schlesischen-weber/