Das Hünengrab

eine Ballade von Wilhelm Müller
  1. Schon wieder hundert Jahre!
  2. Ich darf aus meiner Gruft
  3. Heraus die Blicke senden
  4. Und schöpfen frische Luft.
  5. Die Luft so frisch wie immer,
  6. Das Meer noch dunkelblau,
  7. Die alten weißen Dünen,
  8. Die junge grüne Au‘!
  9. Du, Mensch, nur immer kleiner,
  10. Und größer stets dein Haus,
  11. Die Gräber immer enger –
  12. Wo denkst du, Mensch, hinaus?
  13. Die erste Ruhestätte
  14. Für eine Spanne Zeit,
  15. Die bauest auf der Höhe
  16. So prächtig und so weit.
  17. Und läßt dein Grab dir graben
  18. So eng‘, so kurz, so schmal,
  19. Dort zwischen dumpfen Mauern,
  20. Im tief versteckten Thal.
  21. Dort mußt du lange wohnen,
  22. Dort ist dein rechtes Haus,
  23. Und darfst aus dem nicht gehen
  24. Auf Berg und Strand hinaus.
  25. Schau‘ ich aus meinem Grabe,
  26. Ich schaue weit umher
  27. Den hohen blauen Himmel,
  28. Die Küsten und das Meer.
  29. Das Meer, das ich durchschwommen
  30. Mit meinem starken Arm,
  31. Den Strand, wo ich gestanden
  32. In meiner Feinde Schwarm
  33. Du guckst aus deiner Grube.
  34. In Wust und Graus hinein,
  35. In schwarze Föhrenschatten,
  36. Auf deinen Leichenstein.
Das Hünengrab von Wilhelm Müller wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/mueller/das-huenengrab/