„Wahre“ Balladen

Es gibt einige Balladen, die auf wahren Begebenheiten basieren. Manche verweisen dabei auf ganze reale Ereignisse, die sich in Zeitungen nachempfinden lassen und einige fußen eher lose auf Überlieferungen.

In der nachfolgenden Übersicht möchte ich einige Beispiele geben. Die Liste ist natürlich nicht vollständig, wird aber fortlaufend überarbeitet und um weitere Balladen ergänzt, die auf Tatsachen beruhen.

Liste von Balladen

  • John Maynard von Theodor Fontane (1885):In der Nacht vom 9. zum 10. August 1841 geriet ein Raddampfer auf der Fahrt von Buffalo nach Erie in Brand. Das Schiff nahm daraufhin Kurs auf die acht Meilen entfernte Küste, erreichte sie jedoch nicht. Die meisten der über 200 Passagiere ließen bei diesem Unglück ihr Leben.

  • Die Brück‘ am Tay von Theodor Fontane (1880):Erzählt vom Einsturz der Firth-of-Tay-Brücke in Schottland am 28. Dezember 1879. Hierbei stürzte ein Eisenbahnzug ab, wobei 75 Menschen ihr Leben verloren. Die Brücke war 1871–78 erbaut worden und stürzte eineinhalb Jahre nach ihrer Eröffnung im Sturm zusammen.

  • Das Trauerspiel von Afghanistan von Theodor Fontane (1858):Fontane setzt sich im Text mit der katastrophalen Niederlage Englands im ersten anglo-afghanischen Krieg im Januar 1842 auseinander, die an ein Massaker grenzte. Fontane war zu dieser Zeit Auslandskorrespondent in London und dort für den preußischen Staat zuständig.

  • Das Gewitter von Gustav Schwab (1828):Am 30. Juni 1828 schlug der Blitz in ein von zwei armen Familien bewohntes Haus der württembergischen Stadt Tuttlingen. Dabei verstarben vier Bewohnerinnen des Hauses: Großmutter, Mutter, Tochter und Enkelin, wie es in einer Zeitungsnotiz heißt.

  • Johanna Sebus von Johann Wolfgang von Goethe (1809):Die siebzehnjährige Johanna aus Brienen am Niederrhein rettete bei einem Dammbruch zunächst ihre Mutter aus den Fluten des Rheins und versuchte anschließend, weiteren Menschen zu helfen. Hierbei ließ sie ihr Leben. Ihr heldenhafter Tod wurde von vielen Künstlern verarbeitet.

  • Der Handschuh von Friedrich Schiller (1797):Den Stoff zum Handschuh fand Schiller in der Sammlung Essais historiques sur Paris von Germain-François Poullain de Saint-Foix, einem französischen Dichter und Dramatiker des 18. Jahrhundert.

Kann eine Ballade „wahr“ sein?

Das Wörtchen wahr ist in Bezug auf Gedichte mit Vorsicht zu genießen. Deshalb steht es auch in Anführungszeichen. Denn auch, wenn sich ein Dichter mit wahren Begebenheiten auseinandersetzte, ist eine Ballade stets fiktional und allenfalls von einer realen Begebenheit inspiriert.

Wir können nicht annehmen, dass sich ein Ereignis tatsächlich so abgespielt hat, wie es uns im Text präsentiert wird. Immerhin war Fontane nicht auf dem Raddampfer, Goethe kannte Johanna Sebus nicht und Schiller hat den Ritter Delorges nie mit eigenen Augen gesehen.

Und sogar wenn dies der Fall wäre, haben wir es immer noch mit einer literarischen Auseinandersetzung zu tun, die uns nur das zeigt, was der Dichter zeigen möchte und sich den Strukturen der Form unterordnet.

Somit handelt es sich immer nur um die Auseinandersetzung mit realen Ereignissen und nie um die wahre Schilderung der Begebenheit. Trotzdem kann uns ein Text einen spannenden Blickwinkel auf ein Ereignis bieten und ein Fenster in die Vergangenheit aufstoßen, wodurch er neben anderen Quellen durchaus ein relevantes Zeugnis sein kann.