Panard und Galet

eine Ballade von Gottfried Keller
  1. Sie kamen von der Tränke,
  2. Sie wankten aus der Schenke
  3. Mit einer Zecherschar,
  4. Als es Karfreitag morgen
  5. Und grabesstille war.
  6. Von heißen Stirnen nicken
  7. Und stäuben die Perücken,
  8. Wie Wolke birgt den Blitz;
  9. Die spitze Kling am Degen
  10. Zuckt wie geschliffner Witz.
  11. Sie taumelten und sangen,
  12. Vom Mund wie Stöpsel sprangen
  13. Die Verse, Schlag auf Schlag;
  14. Da schrie Panard: »O fühlet
  15. Den furchtbar großen Tag!
  16. Das Universum trauert,
  17. Die dunkle Sonne schauert,
  18. Die Erde wankt und bebt,
  19. Daß unter unsern Füßen
  20. Der lose Boden schwebt!
  21. Unsicher ist’s zu stehen
  22. Und ratsam nicht, zu gehen:
  23. Kehrt um! zu unsrem Wirt!« –
  24. Und alsbald kroch die Herde
  25. Zurück zu ihrem Hirt.
  26. Dort blieben sie verborgen
  27. Bis an den dritten Morgen,
  28. Tief und geheimnisvoll,
  29. Bis durch die goldne Frühe
  30. Die Osterglocke scholl.
  31. Als die verjüngte Sonne
  32. In Auferstehungswonne
  33. Durchschritt des Frühlings Tor,
  34. Da stiegen aus der Höhle
  35. Weinselig sie hervor.
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Quelle: https://balladen.net/keller/panard-und-galet/