Das Wunder im Kornfeld

… eine Ballade von August Kopisch
  1. Der Knecht reitet hinten, der Ritter vorn,
  2. Rings um sie woget das blühende Korn . . .
  3. Und wie Herr Attich herniederschaut,
  4. Da liegt im Weg ein lieblich Kind,
  5. Von Blumen umwölbt, die sind betaut,
  6. Und mit den Locken spielt der Wind.

  7. Da ruft er dem Knecht: »heb auf das Kind!« –
  8. Absteigt der Knecht und langt geschwind:
  9. »»O, welch ein Wunder! – Kommt daher!
  10. Denn ich allein erheb es nicht.«« –
  11. Absteigt der Ritter, es ist zu schwer;
  12. Sie heben es alle beide nicht!

  13. »Komm Schäfer!« – sie erhebens nicht!
  14. »Komm Bauer!« – sie erhebens nicht!
  15. Sie riefen jeden der da war,
  16. Und jeder hilft: – sie hebens nicht!
  17. Sie stehn umher, die ganze Schar
  18. Ruft: »Welch ein Wunder, wir hebens nicht!«

  19. Und das holdselige Kind beginnt:
  20. »Laßt ruhen mich in Sonn′ und Wind:
  21. Ihr werdet haben ein fruchtbar Jahr,
  22. Daß keine Scheuer den Segen faßt:
  23. Die Reben tropfen von Moste klar,
  24. Die Bäume brechen von ihrer Last!

  25. »Hoch wächst das Gras vom Morgentau,
  26. Von Zwillingkälbern hüpft die Au;
  27. Von Milch wird jede Gölte naß,
  28. Hat jeder Arm′ genug im Land.
  29. Auf lange füllt sich jedes Faß!«
  30. So sang das Kind da und – verschwand.
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Quelle: https://balladen.net/kopisch/das-wunder-im-kornfeld/