Die tote Kirche

eine Ballade von Georg Trakl
  1. Auf dunklen Bänken sitzen sie gedrängt
  2. Und heben die erloschnen Blicke auf
  3. Zum Kreuz. Die Lichter schimmern wie verhängt,
  4. Und trüb und wie verhängt das Wundenhaupt.
  5. Der Weihrauch steigt aus güldenem Gefäß
  6. Zur Höhe auf, hinsterbender Gesang
  7. Verhaucht, und ungewiß und süß verdämmert
  8. Wie heimgesucht der Raum. Der Priester schreitet
  9. Vor den Altar; doch übt mit müdem Geist er
  10. Die frommen Bräuche – ein jämmerlicher Spieler,
  11. Vor schlechten Betern mit erstarrten Herzen,
  12. In seelenlosem Spiel mit Brot und Wein.
  13. Die Glocke klingt! Die Lichter flackern trüber –
  14. Und bleicher, wie verhängt das Wundenhaupt!
  15. Die Orgel rauscht! In toten Herzen schauert
  16. Erinnerung auf! Ein blutend Schmerzensantlitz
  17. Hüllt sich in Dunkelheit und die Verzweiflung
  18. Starrt ihm aus vielen Augen nach ins Leere.
  19. Und eine, die wie aller Stimmen klang,
  20. Schluchzt auf – indes das Grauen wuchs im Raum,
  21. Das Todesgrauen wuchs: Erbarme dich unser –
  22. Herr!
Die tote Kirche von Georg Trakl wurde von balladen.net heruntergeladen, einem kostenlosen Literaturprojekt von Jonas Geldschläger.

Quelle: https://balladen.net/trakl/die-tote-kirche/